Urs Engeler
Ich erinnere mich an "Mensch sein, nicht"




"Mensch sein, nicht" ist das erste Buch, das ich mit Elke Erb gemacht habe. Ich erinnere mich an meine angestrengten Versuche, den Unterschied zu verstehen zwischen den "Gedichten" und den "anderen Tagebuchnotizen". Elke war der Unterschied wichtig. Ich erinnere mich nicht mehr, ob es ihr gelungen ist, mir den Unterschied zu erklären. Dass ich ihn aber sehr ernst nahm, zeigt, dass der Grafiker Marcel Schmid und ich ein Lay-out entwickelten, das der Unterscheidung Rechnung trägt: Die Gedichte sind in einer halbfetten Franklin gesetzt, die anderen Tagebuchnotizen mager. In den Büchern von Elke Erb nach diesem ersten Buch haben wir auf die Unterscheidung verzichtet und ein neues Satzbild für ihre Texte entwickelt. Heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob das Aufgeben dieser Unterscheidung eine gute Entscheidung war. Sie war zwar gestützt davon, dass Elke sie selber in der Arbeit an ihren Büchern und im Gespräch darüber nicht mehr gemacht hat - aber möglicherweise hatte sie die Differenzierung insgeheim, für sich selber, doch immer noch. Nur für die Arbeit mit dem begriffsstutzigen Verleger war es vielleicht einfacher, sie nicht mehr zum Thema zu machen. Für Elke blieb einzig wichtig, dass alles aus den Tagebüchern "geholt" war und insofern datiert wurde. Ich mache, wenn ich Elkes Texte lese, heute so wenig wie damals einen Unterschied zwischen Gedicht und Prosa. Der Unterschied ist, dass mir die Lektüre heute einfach fällt. Nichts mehr von Anstrengung. Klar, ich bin durch Elkes Schule gegangen. Aber es liegt ja auch alles offen zutage, man braucht es bloß so wortwörtlich zu nehmen, wie es dasteht, und den Igel zu sehen, die Erbsen, die Schubkarren und Ochsengespanne. Das musste ich zuerst lernen. Aber jetzt, beim Wiederlesen von "Mensch sein nicht" fehlt sie mir in den neueren Büchern, diese Unterscheidung (und, ja, auch Elke fehlt mir) und die Differenzierung, auch wenn ich sie nicht ganz verstehe und immer wieder in Schwierigkeiten gerate, am konkreten Text zu erklären, warum dieser Text als Prosa und jener als Gedicht gesetzt ist. Die Unterscheidung erklärt vielleicht nichts. Aber sie macht etwas reicher. Und Reichtum an Unterscheidung und Differenzierung, das ist was zählt.