Joachim Sartorius

Poetik




vor dem Jüngling von Myota, Marmor,
180 cm, 5. Jhdt. vor Christus


Das Gedicht
sucht einen Ort
für die Schachzüge meines Verlangens.
Es kann es nicht offen tun.
Erspart mir Erklärungen.
Die Stadt ist eine Bürde.

Fabel, Apokryphe: Alter Stoff
verhüllt die Schenkel,
das gelbe Mal an der Leiste
mit dem Flaum.
Helles Gesirr, bedenk ich´s,
über der Haut wie von
Einenachtlibellen.

Es ist Gaze, gesponnen
aus steinernem weißesten Stein.
Aus vielfach gebrochenem Flügel.
Widrig breche ich

wieder den alten Stoff
mit Sprache: Worten,
die ich vor der Bourse, im Café,
im teerfarbenen Zimmer
hörte. Auflas in alten
Geschichtsbüchern. Das Gedicht
mag keine Verzierung. Es ist

auf Stilisierung aus; Plissé,
das die Stärke
der Wölbung verrät.

Ein Gedicht ist für niemanden.
Ich schicke es meinen Freunden,
die Freiheit, es zu verstehen
oder nicht zu verstehen.

Auf seinem Weg
hat es Splitter des Nichts gesammelt,
um blendend
am Ende dazustehen.


Joachim Sartorius aus: Alexandria. Ein Gedichtzyklus, in ZdZ 7/8