Eleonore Frey
Hans-Jost Frey
Textmuster an Mustertexten




Über dieses Buch
"Textmuster an Mustertexten" ist der Text einer im Sommersemester 1988 an der Universität Zürich gehaltenen Vorlesung von Eleonore Frey und Hans-Jost Frey. Auf zwei voneinander unabhängige Einleitungsvorträge folgen Interpretationen von vier Texten: "Enfance" von Arthur Rimbaud, "Das Fliegenpapier" von Robert Musil, "What the Thunder Said" (aus "The Waste Land") von T.S. Eliot und "franz goldenberg" von Konrad Bayer. So verschieden die Texte sind, so unterschiedlich ist, welche Beobachtungen an diesen Texten und welche Überlegungen zu ihnen Anlass zur Interpretation bieten: Mal geht es um den Vergleich, mal um Ordnung und Störung, immer aber den besonderen Sinn für die Wirklichkeit, die Literatur schafft. Gemeinsam ist diesen Interpretationen, dass es ihnen nicht darum geht, abgeschlossene Deutungen vorzulegen, sondern die Texte und ihre Interpretation auf ein vieldeutiges Gespräch hin zu öffnen. So ist denn auch dieses Buch nicht zuletzt als ein Gespräch zweier Leser und Autoren mit einem sehr feinen Sinn für das Be- und für das Entdeuten von Texten zu lesen und verstehen.


Aus diesem Buch
"Mehrfach sind im Verlauf der vorgenommenen Textuntersuchungen Vorgänge zu beobachten gewesen, die das, was man als Verstehen zu verstehen gewohnt ist, entstellen und in Frage stellen. Es gelingt nicht, die Rede auf ihre Bedeutung hin zu durchstoßen, sondern man scheint im Gegenteil dem Verständnis am nächsten zu sein, wenn man denjenigen Bewegungen folgt, die diesem Versuch gerade entgegenlaufen. Die Lockerung der Verbindung zwischen den Wörtern und ihrer Bedeutung, wie sie bei Rimbaud und Eliot in Gang kommt, die einebnende Wirkung der Aufzählung bei Rimbaud und Bayer, die alles der Indifferenz zuführt: lauter Erscheinungen, die das Lesen als Sinnermittlung fragwürdig machen. Es bleibt zwar immer möglich, die Sinnentleerung als die Ermöglichung neuer Sinnstiftung zu begreifen, solange man darin die Aufweichung verfestigter Ordnungen erkennt, deren Zersetzung die Bedingung neuer Zusammenhänge wäre. [...] Die Störung scheint die Sprache in eine beunruhigende Nähe zur Sinnlosigkeit zu bringen, deren bloße Verharmlosung der Unsinn wäre, der den Sinn negiert und ihn dadurch als Maß aufrechterhält. In der Sinnlosigkeit ist der Sinn nicht verneint, aber er ist ebensowenig gegeben, als er fehlt. Vor der Sinnlosigkeit versickert die Frage nach dem Sinn. Sie wird sinnlos, weil das Sinnlose frei von Sinn und Unsinn und außerhalb dieses Gegensatzes ist. Wenn es Texte gibt, die durch das unaufhörliche Geschäft des Sinnaustausches hindurch diese Sinnlosigkeit zur Geltung bringen, so ist Lesen in dem Maße, als sie nicht auf Sinn reduzierbar sind, nicht mehr Verstehen, sondern Achten auf die stumme und blinde Kehrseite der Wörter, auf den sprachlichen Rest, der nicht im Sinn aufgeht."


Die Autorin / der Autor
Eleonore Frey und Hans-Jost Frey gehöen zu den bedeutendsten Femmes et Hommes de lettres der Schweiz.


Bibliographische Angaben:
Eleonore Frey
Hans-Jost Frey
Textmuster an Mustertexten
ISBN 978-3-907369-32-6
Taschenbuch, Neue Sammlung 023
198 Seiten, 11,5 cm x 18 cm
Euro 15,- / sFr 20.-