Uli Becker

Tot oder lebendig

(Was für ein) Wiedersehen mit Arthur Cravan


Halb nackt, mon vieux, im hellen Fenster nachts
zur Schau gestellt wie rundum all die anderen
Erscheinungen so eines metropolitanen Frühlings,
die gegen lachende Marie auf jeden Namen hören,

flach auf dem Rücken liegst du aus: du winkst,
koketter Sack, für 36 Mäuse everybody's darling.
Seh ich ein schmuddeliges Handtuch fliegen da -
von Anfang an geschoben alles, Arthur, sowieso?

Die Nase an der Scheibe plattgedrückt, steh ich
und schwanke. Wie bei dem Hai im Zoo-Aquarium,
beim Knopf im Feuermelder dieser Kitzel: nichts
wär unmöglich, müßte nur einfach die Faust - - -

Der Traum vom wilden Leben mit tatütata und Biß
im Buch begraben, Seismogramm des Scheiterns:
ein harter Deckel! Zäumst du auch deinen Pegasus
von hinten auf - es bleibt Papierkram, Kollege.

Marktschreierisch veräppelst du die Früchtchen
einer Epoche, die bellt und bellt und aufgeregt
herumspringt um die Karawane des Fortschritts,
frei wie der Vers persönlich, absolut modern:

Der Schuß Salonmilitanz gehört zum Salon jetzt
wie das Anti zur Kunst, wie zur Taschenspielerei
die Volte rückwärts gehört, scherzhaft «Revolte» -
Caféhausgeschnatter das, kapitulierende Gänse.

«Der große Jux liegt im Absoluten», trötest du,
schleuderst Geistesblitze aus heiterem Himmel,
Pyrotechnik pur - wo, Arthur, die größere Crux
im Argen liegt: unser Alltag, in Ewigkeit amen.

Dein Bildersturm im Wasserglas bloß La Bohème,
du hast die Falschen abgestraft. Den Ismen nicht -
dem elenden Scheißkram, den tagtäglichen Ungen
und Keiten gilt unser Kampf! Und unser Kater.



(Erstveröffentlichung in ZdZ Heft 2, Mai 1993)
Uli Beckers Bio- und Bibliographie