Michael Donhauser

«... als gäbe es kein Ende, als hätte ich kaum erst begonnen zu sehen, das Tal»



Und immer, so schien es, kam der Abschied zu früh, denn noch war nicht alles Heu in den Hütten und waren die Wege eine Einladung, sie noch einmal zu gehen, den Gang zu wiederholen hinaus zum Wasserfall oder hinan nach Soladüra, wo die Glocke der Kapelle ggang nu, ggang nu gerufen haben soll, mit ihrem Schlag, während die zwei Glocken von S. Maria de Campo ds Land i, ds Land us riefen, wenn sie geläutet wurden - wir waren durch die Räume von der unterirdischen Maschinerie der Therme gegangen, wo das Wasser der Quelle in vielfacher Weise zubereitet wurde und durch Rohre gepumpt, mit einem Dröhnen, doch kein Gluckern, wir lachten, wie wir uns da ein wenig verloren hatten und Lichtschalter suchten oder einen Aufgang, eine Tür: so dass als ein Tor die Talschaft war, weit und offen als ein schönstes Lied, wie ich auf der Strasse dann hinaus nach Camp ging und die Wiesen da waren, auf welchen das Heu in Zeilen lag, und der Fussballplatz da war, auf welchem bei meiner Ankunft Vals gegen Davos gespielt hatte. Es war da auch die aluminiumsilberne Fabrik, in welcher das Wasser abgefüllt wurde, und nach einer Kurve grüsste die Kapelle, die leicht erhöht und kompakt mit ihrem seitlich gestellten Zwiebelturm über der Strasse stand - das Altarbild aber, es war mir fremd, wie ich es wiedersah, fern schien die Gottesmutter den Tränen und ihr Blick traf und verfehlte mich in einem, dass mein Sehen hin und her ging zwischen ihren ungleichen Augen. Doch auf dem Weg dann zurück, dem Fluss entlang, waren es die beiden Seiten des Tals, welche einander ähnlich waren, mit ihren Hängen und Hütten, und so ungleich auch wie jene Augen, die mich bannten, als gäbe es kein Ende, als hätte ich kaum erst begonnen zu sehen, das Tal.


(Auszug aus Valser Texte - Anthologie der Hausautoren)




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