Peter Waterhouse Im Umkreis der Anrufung Das Experiment Oetzburger Oetzburger behauptete, er könne nichts Vorgegebenes finden und daher denke er nie in der Form eines Abbildungsverhältnisses. Das sei anstrengend, gebe ihm pro Tag und pro Nacht viel zu spekulieren auf, nämlich viel, das nirgendwohin führe oder die Verzweiflung erhöhe oder selbst die kleinste Ordnungsabsicht vernichte. Das Experiment Oetzburger verläuft also nach dem Verfahren: Oetzburger ohne Vorgabe. Wir sehen Oetzburger Schuhe anziehen. Oetzburgers Hemdknöpfe werden um sieben Uhr morgens von den Fingern durch Knopflöcher gedrückt, nämlich zunächst angesetzt, anschließend geschoben, dann erst im wahren Sinn gedrückt, später gedreht, gerüttelt, gezogen, noch einmal geschoben, noch einmal zieht Oetzburger, zuletzt geht es um das Loslassen des Knopfes, nachdem der Vorgang zum rechten Ziel gebracht worden ist; an dieser Stelle senkt Oetzburger den Kopf und betrachtet die Ereignisse am Hemd und läßt die Ereignisse bald los. Jetzt die Hose undsofort. So wie ich den Kopf packe, manchmal ist es auch ein Ergreifen, Packen oder Ergreifen, so Oetzburger unter den angegebenen Bedingungen, in ebensolcher Weise packe ich mich. Ich bin ein Knopf, ich schiebe mich durch die Löcher. Abends der Vorgang in umgekehrter Richtung mit der Zielvorstellung Bett und Schlaf. Ab Mitternacht schläft das Experiment Oetzburger. Kurzum, so entwickelt Oetzburger im Rahmen eines Gesprächs einen Gedankengang, kurzum, mir fehlt eigentlich alles. Dieser Satz kann gewertet werden als eines der Ergebnisse des Experiments Oetzburger; so nüchtern müssen wir sein. Der zweite Satz: Einen Ort wird es erst geben. Dritter Satz - Oetzburger ist, über die Jahre hinweg betrachtet, in Fahrt, eine Fahrt durch die Jahre, andere sagen soetwas an einem einzigen Abend bei einem Glas Wein, aber einholen tun sie sich viel später als Oetzburger im Experiment -: Alles bricht ein, alles entzündet seine Bedeutung. Vierter Satz: Alles gibt schließlich einen schweigenden Ton vor. Oetzburger wird gesehen an der Haustüre. Zebrastreifen. Oetzburger kaut. Verrichtungen. Fünfter Experimentalsatz: Es ist so: Ich stehe ziemlich weit draußen. Wünsche Das Unverratbare setzt einen Hut auf und geht spazieren. So ähnlich ist es mit uns. Explosion der Nachdenklichkeit: Jetzt sind wir etwas einsamer und schöner. Die Kirsche im Mund: Man ist nicht erfüllt, aber der Augenblick ist süß. Sinn: Aha, achso, na gut, wie auch immer, ja, nein, mittags, guten Tag, mhmh, gottseidank, immerhin und trotzdem. Warum sind wir so verwildert? Antwort: Es handelt sich um eine Ekstase. Daß nirgendwo endete die Trauer. Daß erfunden werde eine Methode zur Beendigung der Vernichtungssätze. Was ist ein Ort? Ein Ort ist ein Machtzentrum. Alles andere geht über in ein Wünschen. Wir hupfen. Das ist neu. Was hupft noch? Das Ernsteste ist unvergessen. Es hat keinen Namen. Wir sind uns völlig im klaren. Daraus entstehen alle Wünsche. Dialog 1 a: Das Thema? b: Es gibt kein Thema. a: Warum gibt es kein Thema? b: Das Thema, das einen Namen hatte, verwandelt sich oder, im harten Ton gesagt, es zersplittert. Es liegt im Raum, man spricht davon, indem man von den Schuhen vor der Tür spricht oder von der Schlafhaltung der Katze oder vom Geräusch der großen Städte; man berührt es mit jedem Schritt, dauernd stehen wir auf etwas, einmal heißt das, worauf wir stehen Stein, einmal Rolltreppe, einmal Wespe. Wenn wir auf einer Wespe stehen, dann stehen wir auf etwas, das einen anderen Namen hatte. Man sagt: Soeben sticht mich eine Wespe in die Fußsohle; es ist gut, wenn ich sehr bald einen Schritt zur Seite tue. Gemeint aber ist fortwährend: Verwandlung, Verwandlung. a: Ist denn die Wespe nicht evident genug? b: Doch, die Wespe ist ausreichend evident. a: Der andere Name der Wespe? b: Schlafende Katze. a: Der andere Name der schlafenden Katze? b: Schuhe vor der Tür. a: Undsofort? b: Undsofort, ja. a: Was ist dann zusammenfassend gemeint? b: Gemeint ist natürlich die Zärtlichkeit. a: Achso. Die Verringerung der Macht Er sagte: Du einzige Tür. Er sagte vor der einzigen Tür: Ja, das heißt nein. Mein Tun ist ein Herunterholen des Himmels, ein Zusammenfallen mit der Nacht, ein beeindruckendes Flehen, eine Selbstverwandlung in Licht, ein Spaziergang, wenn die Verheißung gering ist. Ja, und es ist gemeint nein. Er sprach von sich zugleich. Torbogen, Vogelflug, Händedruck. Er sagte: Ich bin Teil einer sogenannten Sonne. Er hieß damals Herr Selbstblendung. Bitte lösche Licht, bitte stelle Uhr, Verzicht auf Farbe, Linie, Wort: Ein nüchterner Selbstrest trägt Krawatte, Knopf durch Loch geschoben, Jacke gesperrt, Kopf sitzt gerade, Sonntag, deutlicher Schritt auf die einzige Tür zu. Allerdings sah man ihn vor allem ausweichen. O, er weicht wieder aus. Es war gemeint ja, indem es gemeint war nein. Kein Grund zur Sorge. Unvermutet kamen seine Zähne zusammen mit den Zähnen der Geliebten. Kurzum: Man nahm sich also zugleich in den Mund. Er sagte: Das ist jedem bekannt. Zunge gelangt leicht hin, wo ich nicht hingelange. Zusammenfassung: Man konnte im Mund der Geliebten gut tanzen. Weiter? Weiter nichts. Weiter? Weiteres Glück. Manchmal ein einziger Gedanke. Manchmal wieder ein einziger Gedanke. Keiner zugleich, keiner zugleich. Er wurde viele Male gefragt: Was sollen wir von dem, das zugleich ist, halten? Ja, dann lebte er mit dieser Frage. Er war eine Frage mit seinem Leben. Er sagte: So will ich aber nicht genannt sein. Weiter? Weiter nichts. Weiter? So wollte er weiter nicht genannt sein. An ihn gedacht hieß der Gedanke: Ja, und war gemeint nein. Er wurde verschoben. Das Schieben war gemeint als Verwandlung. Wir sagten: Eines, indem das andere. Man kann sagen: Wir hatten etwas zuviel Macht über ihn. Zeichen der Vernichtung Was ich dir damals in der Eisenbahn sagte, nämlich es gibt ein Stehen der Dinge in der falschen Verbindung und es gibt das Stehen der Dinge in der richtigen Verbindung - beides heißt natürlich anders (o, ein Glück, dieses wenige gesagt zu haben, es kommt immer neu eine große Bestürzung davon, ein paar Worte verwendet zu haben, mit ihnen einen Satz zum Leben gebracht zu haben, zum Leben, darüber läßt sich nachdenklich sein, verzweifelt, ein Anfang, eine Richtung, eine Geste), was ich also im Eisenbahnwaggon vom Stehen der Dinge in der Weise, die vernichtet, und der Weise, die das nicht tut, gesagt habe, ja, der Baum nachts, die Tür zur Mittagszeit aus den Schatten weit herausgestellt, die hohe Umzäunung um den asphaltierten Spielplatz und die Sitzbänke und das zertretene Gras, der Tennisplatz, als ich vorbeiging - eine Fläche zum Sterben, der geradgerichtete Fluß - ein Axthieb in die Seele, und das Erlösungszeichen, nämlich das Stehen der Dinge in der richtigen Verbindung, aber es heißt nicht Erlösung, und die Dinge sind Augen und Nase und Mund und Haut: Gibt es in diesem Zusammenhang irgendeinen Zweifel? (Abbruch, nichts ist sagbar, wüste Verfluchung der Versperrtheit, nur kurz versammelt sich das Flüchtige, was lang ist, heißt lange Vernichtung.) Wo sind wir jetzt? Rasurel Der Morgen beginnt so: Blick in den Himmel, das Öffnen der Tür, Fensterkreuz, keines steht in der eigenen Evidenz. Na gut. Der trockene Rest im Weinglas ist das, was rot blieb von einem spanischen Sommer. Was setzt sich mit Hilfe dieses Tages zusammen, was konstruiert eine Geschichte der Bedeutungen, die gar nicht gemeint ist, was ist es, das die Verzweiflungen in die nächste Höhe treibt undsofort. Verwilderte Reihe: Der Baum ist eine Katze, die Katze ist ein Schornstein, der Schornstein ist eine Brille, die Brille ist das Nachbarhaus. O, jetzt geschieht ein Luftholen und schnelles Ausatmen. Sanfter Blick. Was für ein Vormittag ist heute wieder? Na gut, denkt Rasurel. Eintritt Frau Merciers. Rasurel zu Mercier: Wie steht es bei Ihnen heute mit der Evidenz? Mercier bekleidet mit einem Seidenhemd der ungeheuerlichsten Leichtigkeit, Schrittfolge, die Rasurel geneigt ist zu definieren als: Unbeschreibbar, quasi gartengeübt-wespenvermeidend, man denkt, laut Rasurel, an ein Koordinatenkreuz und zugleich, warum?, an das Erotische. O, diese planlose Verwirrung, denkt Rasurel, also noch einmal, ich rekapituliere jetzt meine Frage, wie steht es bei Ihnen mit der Evidenz, wo ich mit ihr solche Schwierigkeiten habe: An dieser Stelle sagt Frau Mercier einen strengen Satz: Was sich versammeln läßt, wird sogleich zum Machtzentrum. Dann: Lieber Herr Rasurel, seien Sie doch glücklich mit dem, das Sie so unversammelt leben läßt. Wollen Sie denn so vollständig sagen können: Ich, hier, der Bestand der Welt, Name, Gründe, Folge, Sinn? Rasurel betroffen: Nein danke. Die Einzelheit Endlich gelang es zu sagen: Ein Tisch ist ein Tisch, ein Holzfußboden ist ein Holzfußboden, ein Türgriff ist ein Türgriff. Diese Sätze, gesprochen von einem gewissen Metzler oder Messler, hatten nur kurze Zeit ihre Gültigkeit. Als Messler sie zum ersten Mal aussprach, war er davon beglückt. Etwa eine halbe Stunde rief er sich die angegebenen Sätze ins Gedächtnis und empfand sie als vorwiegend fehlerhaft. Der Tisch ist geradezu kein Tisch, so muß es heißen, sagte Messler. Ach wie schön. Der Sessel ist kein Sessel: Genauer läßt es sich nicht formulieren. Warum? Das liege, laut Metzler, an der Sprache. Sie gebe den Dingen eine vollkommen falsche Bedeutung. Bereits eine unscheinbare Tautologie sei nichts anderes als Emphase des Magischen. Messler: Wie sollen wir jemals uns sehen, mit unserer Sprache? Wie stehen wir uns dann gegenüber, um Gottes Willen? Ich bitte doch allgemein um etwas Verschwiegenheit. Innerhalb der Tropen Natürlich hält sich Lucile an verschiedenen Orten auf wie Halle, Feld, Wasser, Fenster. Natürlich schreit sie an diesen Orten nach Liebe. Sie sagt: Die Wünsche sind beträchtlich. Eine gewisse Maßlosigkeit hat sich auf mein liebes Gesicht gelegt. Aber inzwischen ist Lucile längst verloren gegangen, nämlich sie hat sich verwandelt, etwas ist hinzugetreten und zugleich fortgegangen, etwas hat die Namen vermehrt und entzogen, etwas, das uns ähnlich ist und Lucile zum Verwechseln ähnlich sieht, ist ganz unähnlich geworden, man gibt sich die Hand, aber bei uns ist ein Ungeheures, die Gespräche sind hoffnungsvoll, aber wer spricht und wer ist gemeint, man ist hinausgetreten, auch Lucile ist vom Fenster fortgegangen, kurzum, man beschäftigt sich mit der Frage: Was ist geschehen? Offenbar ist etwas, das zusammenhalten sollte, das wiederholt meßbar sein sollte, das in der Früh am Tisch liegen sollte, wie es am Abend auf den Tisch gelegt worden ist, das Tisch sein sollte und Tisch sein sollte, wie es Tisch war, das denselben Namen und denselben Sinn haben sollte wie der vorangegangene Name und der vorausliegende Sinn, offenbar ist dieses, das zusammenbleiben sollte, ein wenig maßlos geworden, hat einen Ruck getan oder einen Sprung oder besser gesagt: Ist sich ganz gleich geblieben, nämlich ist seinem Fortgang oder Fortgehen ganz gleich geblieben, ist nicht gesprungen, sondern heißt einfach Fortgang oder beträchtliches Fortgehen. Fräulein Lucile im Wasser. Tröstlich biegen sich die Arme und die Beine, man grüßt freundlich eine erotische Persönlichkeit auf dem Ufer, das hat alles seine Richtigkeit, die Genauigkeit ließe sich erhöhen, der Winkel des Lichts, Windgeschwindigkeit, mit dem geringsten ist man fast schon zufrieden. Feld: Lucile gibt sich nachlässig. Die Sinnlichkeit und die Nachdenklichkeit machen Lucile geheimnisvoll, schön, traurig. Wenigstens etwas sollte kohärent sein. Man möchte schon zornig werden und die Dinge am Hals packen, sie bedrohen und rufen: Bleibt stehn. Sogleich sind die Dinge geheimnisvoll, schön, traurig. Man meint es mit der Erkenntnis so ernsthaft. Das ist ein schöner Fehler. Dialog 2 c: Verstehen Sie, wovon ich die ganze Zeit spreche? d: Ja. Die zu Sprache gemachte Seele Seele 1: Aus, in, an, vor, bei, nach, mit, weil, schon, jetzt, nie, nein, ja, und, und wir erhoben uns und leuchteten, immer macht Moritz das falsche, immer macht Moritz das falsche, guten Tag, grüß Gott, Umarmung, über, hin, fort, weit, sanft, gleichwohl, gleichzeitig, wir sind's, wir sind's, Bücher, die Bücher, die Bücher werden gelesen, Bücher, Buch. Seele 2: Das Abwarten ist gut, bisher ist noch alles ungültig, über nichts hat man sich geeinigt, ich zweifle gern in einem fort, die Berechnungen sind verfeinert worden, die Methoden vermehrt worden, das hat uns aber wenig verändert, ich nehme das Unnennbare sanft auf, von mir wird keine Klage laut, die Gedanken sind lange geübt, die Verzweiflungen setzen ihre Anstürme fort, daraus ziehe ich keine Schlüsse, die Vermutungen sind außerordentlich, ich finde keine bestätigt, nirgendwo erkennt man sich, den Sinn läßt man am besten unbezweifelt und folgt ihm nicht, das Gemeinte steht aus, ich lasse mich nicht jagen, ich verschärfe, worum es mir geht, lasse sogleich nach und denke an etwas ganz anderes, das Schnelle wird schneller, ich bin nicht das Schnelle, man wird mich mit Angaben wenig erschrecken, meine Versuche sind unscheinbar, ich schaue nicht danach, die Reihenfolgen ereignen sich, das Lautlose tut seinen Schritt, daß ich beides nicht bin, freut mich bisweilen, an anderer Stelle tauche ich auf, man hört mich sagen die Worte: Schön und gut. Seele 1: Vor welcher Mauer stehen wir? Seele 2: Wir stehen vor der Mauer der Macht. Wir sind bewundernswerte Anarchisten. Wir sind nah am Herz der Verwandlung. Seele 1: O, wirklich? Es ist etwas durchaus Schönes um uns. Darf ich sagen: Ich begreife mich keineswegs? Seele 2: Ja. Lorbergs Rede über die Prämissen Lorberg: Die erste Prämisse ist die Anwesenheit. Angeblich ist alles so, und wir sind dabei. Davon weiß ich wenig, aber gewiß liegt ein Fehler in dieser schönen Voraussetzung. Die zweite Prämisse ist nämlich die Fehlerlosigkeit; nach wie vor ist alles angeblich so, auch wir. Mit uns steht es so - und vermutlich steht es mit allem in dieser Weise -, daß wir vollkommen faktisch sind und gleichzeitig ganz voraussetzungslos. Das ist komisch und schwer zusammenzudenken. Lorberg: Wenn man es zusammendenkt und zusammenzieht, dann erhält man daraus etwas, das aussieht wie ein tiefer Fehler. Mit diesem ist schwer rechnen, da er uns im Innersten betrifft, möglicherweise an eben der Stelle, die zu rechnen hätte. Eine persönliche Rechnungsunmöglichkeit. Aber neben dieser Stelle, die gerade gemeint war, gibt es andere, und von diesen aus kann man über das Ziehen der Prämissen reden und über die Möglichkeit des Zurückziehens der Prämissen. Lorberg: Das Zurückziehen der Prämissen ist glücklicherweise verbunden mit einem Gewinn, den man als Verbesserung der Anwesenheit, die immer so gefährdet ist, bezeichnen kann. Lorberg: Die dritte Prämisse ist die Sprache. Wenn man uns darauf anspricht, geben wir verwunderliche Antworten. Kaum geben wir Antworten, verschleiern wir die Voraussetzungen. O. wie schwer wir es haben. Wir haben auch das Leichte. Lorberg: O, das Leichte. Bisher war es ohne Ort. Anne fördert den Zufall Wo die Verheißung gering ist, an den Rändern von Sinn, Plan, Übereinkunft undsofort, zum Beispiel dort, wo aus durchaus metaphysischen Gründen niemand geht oder wo die Vögel in niederer Höhe fliegen oder wo das, welches man eins nennt, nicht zu haben ist oder im Schweigen der Dinge, im Herzzerreißen oder wo, schnell gesagt, alles ein Fall ist und ein anderes wunschlos wird oder ein Löwe im Käfig, wenn man im Tiergarten wäre, oder weitgehend unverläßlich, fast vergessen, hier erscheint also Anna und behauptet in dieser beinahe felsigen Umgebung etwas, von dem nicht sehr wichtig ist, was es ist, aber die Bedeutung ist zu finden in der Heiterkeit, mit der Anna spricht. Offenbar geht es um nichts anderes oder, etwas vorsichtiger gesagt, um wenig anderes als um die Überlistung des Todes. Hier setzt natürlich ein großes Zögern ein. Eigentlich ist das Thema zuende, man hat alles oder bereits zu viel bis an die Nennung herangeführt, an dieser Stelle wird man zurückblicken, .oder vielleicht ist schon ein Gebot mit der Umwendung verknüpft, das komische Licht des absoluten hat geleuchtet, man kann sagen: Anna ist am Sinn vorbei gekommen, fast hätte der Sinn eine ungeheure Schwungform oder Biegeform, oder wie man soetwas nennt, zur Sinnlichkeit gezeigt, nein, Anna erkennt etwas, das nach einem Imbißstand aussieht und stellt sich mit einer Rückwendung dorthin und verlangt etwas zu essen, das dann gar nicht gut schmeckt. Anne denkt: Man will bloß den Zufall ein wenig befördern, durchaus im notwendigen Sinn, im schönen Sinn, sogleich ist befördert worden der Verdacht. Man geht, wo die Verheißung gering ist, und schon begleitet einen der Verdacht, der die vernichtende Geste der Macht betrifft. Solange es die Macht gibt, können wir offenbar den Tod nicht überlisten. Das ist der grausame Verdacht. Man möchte nicht in Annas zögernder Lage sein. Erfahrungsgemäß geschieht jetzt folgendes: Beförderung und Verzögerung werden verschmolzen. Man muß sich dabei, als wären wir nur ekstatisch erklärbar, ein Überspringen der Kategorien denken, nämlich einige historische Kategorien werden übertreten. Was Anna dabei im Sinn hat? Sie hat im Sinn die Förderung des Zufalls. Ende des Spaziergangs; es ist Zeit, schlafen zu gehen. Am Beispiel eines Gartens Man schließt unter einem sauren Baum, von dem die Birnen hängen, eine durchaus tiefe Freundschaft, läßt in der Folge das, was Freundschaft ist, sprachlich ohne Bestimmung sein, sie hat ihre eigene Form undsofort, aber der Baum steht an einem Ort, der zu einer früheren Zeit eine andere Bedeutung hatte. Augenscheinlich wechseln die Bedeutungen, und damit ist gemeint, der Ort steht, wie wir ihn meinen, nicht fest. Neben den sauren Birnen, aber so alt ist dieser Baum nicht, hat das 18. Jahrhundert, jedenfalls der südliche Ausschnitt, der dörfliche Teil, die Bauern, der Pfarrer, der Gemeindesekretär, der Gastwirt, der Postmeister, neben den Birnen hat der Gerechtigkeitssinn, wenn er sich außerordentlich gestört fühlte, Menschen an Schnüren befestigt. Heute stellt man ebenda zwei Sessel auf. Zu den Schnüren ist zu sagen, daß sie erhalten geblieben sind, um störrische Kühle gewickelt, als Teil von Kinderschaukeln, Flaschenzügen, Hängematten. Man gibt sich die Hand und sagt: Jetzt ist es Freundschaft. Der mit der Schnur wurde gebeten, auf einen Sessel einen Schritt zu tun, sogleich wurde seine Schnur weiter oben angeknotet; jetzt brauchte man bloß den Sessel unter seinen Füßen fortziehen, damit er starb. Davon im Garten nichts erhalten, manche von uns erinnern sich bloß, und das heißt die Galgen stehen eigentlich in uns, mit uns nimmt im Garten, wenn die Erinnerung da ist, das 18. Jahrhundert Platz. Conclusio: Die Antworten stehen aus; spät wird man sich an uns vielleicht erinnern. Die rasende Liebesgeschichte Ich fuhr dann mit Höchstgeschwindigkeit nach Venedig (Graz, Tarvisio, Gemona flogen vorbei), stieg mitten in dem, was so klar genannt ist, durch die linke Wagentür eifrig aus, Zimmer bei Signora Buonarroti, Kaffee, Miesmuscheln, das war alles sozusagen eins, 16 Uhr 30 verliebte ich mich im Express Vaporetto, wie heißen Sie eigentlich, schnell alle Themen zur Sprache gebracht, wunderbare Übereinstimmung, ein unfaßbares Glück undsofort. 17 Uhr: Der erste Streit, diagonale Blicke, nein, ich bin nicht beleidigt, doch, nein, doch, nein. Abendessen, Kino bis zur Halbzeit, Stadtrundfahrt, Gottesdienst und die Gedanken woanders, zweites Abendessen, Einkauf, Tanz, unruhige Nacht. Zum Frühstück aß ich das weiche Ei total, gleich quer hineingebissen. Im Gehen den Honig, an der sauren Tankstelle das Brot. Ende. Perlmann ruft die Musen an In welchem Augenblick sehen wir uns, so fragt Perlman, als er morgens aus dem Bett steigt. Perlmann sucht die Wäsche zusammen, kocht Wasser für den Tee, streicht Butter auf zwei Brote. Perlmann blickt in die Milch, wie sie im Tee stürmt. Alles entgleitet. Die Milch entgleitet wie gestern. Im Bett sehe ich es bereits voraus. Das ist schlecht. An dieser Stelle entschließt sich Perlmann zur Anrufung der Musen. Bitte, ich will die Milch nicht überhöhen, es genügt, wenn sie Milch ist. In diesem Zusammenhang wäre es aber schön, wenn etwas anderes unverstellt und spekulationsfrei mitkäme, sagen wir im Umkreis des Verlusts und der Unmöglichkeit und des Nichtkonstituierbaren die Beständigkeit, sagen wir auch die Beständigkeit der Liebe, ja, nicht etwa möglich wäre, das ist nicht sagbar, nicht etwa glückte, das ist nicht sagbar, nicht uns entlastete, das ist nicht sagbar, man hätte so gar nicht zu fragen anfangen sollen, sagen wir also, ohne recht weiter zu wissen, im unerwarteten Augenblick da wäre und uns sichtbar machte, in der geringen Wahrscheinlichkeit, in der großen Unvorhersehbarkeit, in der totalen Diffusion, in der Sprache, mit der wir versagen, in der Welt, in der wir versagen, in der Sprache, in der wir nicht versagen, in der Welt, in der wir nicht versagen, da wäre es schön. Was ich sagen will: Es gibt uns nicht; wir stürmen. Naja, es ist Zeit, das Geschirr abzuwaschen und bald auf die Straße zu treten, im weißen Hemd, unterm steilen Hut, die Schuhbänder doppelt geknotet. Perlmann. Geschichte und Zärtlichkeit 1 Pablo Garcia Rossetti steigt oder stieg vom Kran herunter, kommt schon, während ich in einigen Plänen blätterte, zu mir und fragte, während er abseits der Zentralachse der Perspektive stand, ob heute der 25. Juli sei. Meine Armbanduhr hat ein kleines Fenster, in dem das Datum mit Tagesnamen und Ziffer gezeigt wird. Der Arm also angewinkelt und gehoben, ich sah die genaue Zahl 25 im Fenster, bei Rossetti zugleich folgender Ablauf: Zunächst eine Annäherung des Oberkörpers an die Uhr, doch diese infolge der Winkelverhältnisse zwischen Rossetti und meinem Arm nicht lesbar, Öffnung des Munds und Blick zu mir - wenn man das alles so sagen kann -, vielleicht vor Höflichkeit davor zögernd, mich bei meinem zeitlichen Irrtum zu korrigieren, Rossetti wußte ja nichts vom Fenster, und als ich ansetzte, ja zu sagen, ruft Pablo Rossetti laut o und legt den Zeigefinger auf den Daumen, wie man es tut, nachdem etwas gelungen ist, und versäumt meine Antwort. Als ich zu einer zweiten Antwort ansetzte, rief Rossetti hinein: Danke, und verfehlte wieder das Datum. 2 Es wäre schön, über die Menschen, die nicht am Herrschen beteiligt sind, zu berichten, und über das, was eine Klassengesellschaft ist. Es ist verfluchterweise nicht möglich, davon zu berichten; in jedem Wort steckt der Fluch der Macht. 3 Als Rossetti zum zweiten Mal vom Kran herabstieg, sagte er: Ich bin übrigens nicht ich sondern Anarchist; die Härte des ich ist das eine, die Fläche des nicht-Ich ist das andere; irgendwie falle ich damit aus der Geschichte heraus oder ich falle in die Geschichte hinein, aus der falschen heraus, in die richtige hinein. Schon ist zuviel gesagt, von Richtung sehr wenig, es gibt nur die Richtung. Auf Wiedersehen. Kolbergs Theorie desselben Offensichtlich, laut Kolberg, ist dasselbe ein Steckengebliebenes, sehr fest, tröstlich undsofort, aber am Ende oder besser gesagt dort, wo man einmal alles findet, ich will mich darüber nicht äußern, es ist sicher näher dem Ende, als wir uns jetzt befinden, aber das heißt wenig, jedenfalls dort ist das Steckengebliebene ganz furchtbar, jetzt zum Beispiel, täusche ich mich, nein, nicht ich bin gemeint, man soll nicht so voreilig sein, gemeint ist vieles, das viele, welches nicht ist dasselbe, Kolberg ruft an dieser Stelle: Eine Verwandlung, eine Verwandlung, man kann darüber geteilter Meinung sein, bitte sehr, ruft Kolberg, das ist bloß eine Theorie, ich bin diesbezüglich nicht zu beleidigen, kurz gesagt: Erstens: Ein Apfel ist ein Apfel, zweitens: Ein Apfel ist nicht ein Apfel, auf diese Weise leite ich theoretisch das Steckengebliebene ab, aber Für Quereinsteiger: Zur Hauptseite von Urs Engeler Editor |