Birgit Kempker

Daran knabber ich noch heute





Schlaf nicht ein, sagte immer meine Frau zu mir, und immer schlief ich ein neben ihr. Ich schlief immer viel zu früh ein, im Gegensatz zu ihr, für ihren Geschmack, die immer viel zu spät einschlief, für meinen Geschmack, meine Frau, die immer auf mich einschlug, wenn ich einschlafen wollte, was sie nicht wollte, mich schlagen und ich schlaf davon ein, was ich immer mehr wollte, schlag mich, sagte ich süchtig, mein Elschen, tu's tüchtig.
Ich war ja gar nicht mehr in der Lage einzuschlafen, ohne dabei geschlagen zu sein. Kurzum: ich war ein rundum glücklich geschlagener runder Mann, jahrelang, und mein Elschen, das war: die rundum glücklos schlagende schlaflose Frau, mit rauhen Ringen unter den eisblauen Augen, und ich: mit Fettwulst als Schlafwanst über dem schlafenden Gemächt.
Der Fettwulst als Schlafwanst über dem schlafenden Gemächt wuchs Jahr um Jahr Wulst um Wulst parallel zu den rauhen Ringen Ring um Ring unter den eisgrauen Augen meiner Frau, und daran zählten wir, wie der Förster am Ring der geschlagenen Bäume, die Jahre: am Bauch und im Gesicht, bei mir und meiner Frau.
Ich sah mit Fettwulst als Schlafwanst über dem schlafenden Gemächt nicht richtig schön aus, fand sie, nicht zum Reinbeissen lecker, nicht froh und lebendig, nicht wie ein Mann, den eine Frau lieben kann, sondern: wie einer, der einschläft, kaum sieht er seine Frau, die ihn schlägt, kaum schläft er neben ihr ein, kaum ist er geschlagen genug.
Meine Frau sah mit den rauhen Ringen unter den eisblauen Augen auch nicht schön aus, fand ich, sie könnte ruhig etwas schöner aussehen für mich, wenn ich im Bett lieg und sie anseh, wie sie aussieht und mich ansieht, dann dachte ich: oh, sie sieht nicht schön aus für mich, sie strahlt nicht, sie will wohl nicht, dass ich sie anseh, sie will wohl nicht, dass ich sie schön find, wenn ich sie anseh, und was dann passiert, das will sie wohl nicht, und damit das nicht passiert, was sie wegen ihres nicht schönen Aussehens und Aussetzens jeglichen Strahlens wohl nicht wollte, dass es ist und dass passiert, weil sie so ganz ohne Strahlkraft war, löschte ich das Licht zu ihrer Sicherheit, zu meiner eigenen Bequemlichkeit und holte mir neenee - die Schläge und schlief.
Meine Frau kaufte heisse Kerzen. Meine Frau kaufte scharfe Unterwäsche. Meine Frau kaufte das Kamasutra. Meine Frau kaufte Eisbär für die Füsse. Meine Frau kaufte Ketten für die Hände und den Rumpf. Meine Frau kaufte Ringe für die Nase. Meine Frau kaufte tierische Düfte. Meine Frau kaufte leckere Nüsse. Meine Frau kaufte süsse Vanillestangen. Meine Frau kaufte kräftige Apparate. Meine Frau kaufte einen Videorecorder. Und zu Weihnachten kaufte sie mir was, o Leute, daran knabber ich noch heute.
Ich lag prächtig im Bett, draussen lag Schnee. Ich grunzte vor mich hin, kaute am Spekulatius, nippte am Glühwein, schaufelte rote Grütze in mich rein, baumelte mit dem Gemächt und fröstelte, weil meine Frau nicht im Bett lag und mich nicht schlug.
Elschen, rief ich, bitte, es ist bald Weihnachten, kommst du bitte ins Bett? ich friere am unteren Hälschen. Zusätzlich zu bald Weihnachten war es bald mein Geburtstag, mein Weihnachtsgeburtstag, mein Elschen hatte allen Grund, fand ich, für einen Tag im Jahr seinen Elschengroll zu vergessen und die rauhen Ringe unter den eisblauen Augen und die um die Ohren, geschlagenen Nächte und den täglich umsonst geschlagenen Mann:
mich nämlich, und wie ich das Schlagen mit dem Stock von ihr will, weil mir meine Elschenhände nicht reichen, mittlerweile, weil ich immer dickre Stöcke will, weil mir die dünnen nicht reichen, das alles zu vergessen, dafür hat mein Elschen meinen Weihnachtsgeburtstag als Grund.
Mein Elschen nahm Anlauf. Mein Elschen rannte. Mein Elschen keuchte. Mein Elschen sprang weit über sich, den Groll, die rauhen Ringe unter den eisblauen Augen, weit über den Wanst, weit über mein schlafendes Gemächt, mein Elschen sprang weit über den Elschenschatten hinaus mitten hinein in die Stadt und kaufte mir was, o Leute, daran knabber ich noch heute.
Nichts ist leichter, als vor Weihnachten in die Stadt zu springen und was für den Mann zu knabbern zu kaufen. Was mein Elschen mir kaufte, war nicht das, wofür leicht in die Stadt zu springen und was leicht zu kaufen war. Mein Elschen war dafür nicht reich genug, sie war nicht modern genug dafür, das zu kaufen, woran ich noch heute knabber. Mein Elschen liebte mich dafür zu viel, eigentlich, obwohl ich ihr nachts nicht zur Verfügung dafür stand, ausser für den Stock und die Elschenhändchen fürs Schlagen, und obwohl ich meinem Elschen, wenn es vom Schlagen müde war, zusätzlich den Schlaf wegschlief, trotzdem tat mein Elschen das, was Frauen, die es leichten Herzens und mit links und mit schwerem Geldsack leicht hätten tun können, jederzeit, alle diese anderen Frauen in der Stadt: in die Stadt springen und kaufen, kein Problem für alle, ausser für mein Elschen; was alle diese anderen Frauen nicht leicht tun würden, sogar vielleicht überhaupt nicht, vielleicht sogar nie: mein Elschen tat's.
Mein Elschen dachte in diesen schlaflosen ringvermehrenden und das Gesicht durch die rauhe Ringvermehrung immer wüster verheerenden Nächten neben mir dies und das, es war dunkel, ich schnarchte, mein Elschen fror, mein Elschen schnatterte, so gab es für mein Elschen nichts anderes als Denken. Das war zu der Zeit, als das Elschenhaar grau ward und das Tränensalz in die Elschenbäckchen Löcher frass.
Was hast du nur nachts, mein Elschen, fragte ich, was tust du bloss mit den Bäckchen? Was soll ein Mann, der schläft, denn denken über ein Elschen, dem es nachts die Bäckchen wegfrisst? Eines Tages sagte ich zu meinem Elschen: mein Sieb. Das war nicht lieb.
Ich dachte, es turnt zuviel in der Nacht. Mein Elschen verrenkt sich den Hals. Deshalb schläft es nicht, mein Elschen. Es frisst sich selbst auf, O mein gefrässiges Elschen, dachte ich, es verzehrt sich nach sich, wo es sich nach mir verzehren soll, verdammt, es verzettelt sich, was turnst du auch nachts, was tust du? Weinen, sagte mein Elschen. Dann weine nicht, sagte ich. Ich hatte keine, Ahnung, warum mein Elschen nachts weint. Gar keine. Denn weinen tat immer nachts ich, wenn mein Elschen mich schlug. Und mein Elschen schlug mich jedes Jahr stärker, und ich weinte jedes Jahr mehr.
Ich dächt, ich weint mich in den Schlaf, und für mein Elschen wär kein Weinen übrig, deuchte mich, doch darin täuscht ich mich. Mein Elschen ward nicht geschlagen, das war wahr, mein Elschen schlief nicht, auch das ward wahr, doch wahrer war das: mein Elschen fing an zu denken.
Mein Elschen weinte, das Denken tat wohl weh. Mein Elschen schlug mich umsonst, das war wahr, denn ich wachte nicht auf, doch denken tat mein Elschen nicht umsonst. Das Denken machte mein Elschen noch wacher, als mein Elschen sowieso wach war, und so schlug das Wachsein mit Hilfe des Denkens um.
Das Denken schlug auf mein Elschen ein. Je heller und wacher mein Elschen vom Denken geschlagen ward, je dunkler und tumber schlief ich von meines Elschens Schlag neben meinem schlagenden geschlagenen Elschen knallsatt ein. Ich liebte es, wenn mein Elschen mich schlug. Ich liebte Elschen von Schlag zu Schlag, Tag zu Tag lieber und tiefer, während mein Elschen indes von etwas viel grösserem viel mehr geschlagen ward und es lieber liebte; tiefer, als ich mein Elschen, liebten mein Elschen und das Denken sich.
Dann kam die Dämmerung, als mein Elschen langsam die Hand hob, und als die Elschenhand vornehm und elfenbeinhell hoch oben stand im funkelnden Gestern und auf mich niederprasseln wollte, just da war ich schon eingeschlafen, handhypnotisiert, und mein Elschen liess die Elschenhand lange lange droben in der Höhe thronen, und wusste unten mit sich selbst nicht wohin.
Mein Elschen sass im Bett in der reizendsten Wäsche mit Moschusduft unter den Armen, mit Eisbärfell unter den Knien, mit Kerzen links und rechts, mit Gurke und Zeder, mit Mäschchen unter dem Kinn, mit Räucherstäbchen, mit Zuckerstängchen, mit auf den rauhen Ringen unter den Augen kühlendem Gelee royale, mit hoch erhobener Hand, die Tränen liefen, und das Denken kam mächtig von hinten. So war's. Nächtlich und prächtig, so hat's mir mein Elschen erzählt.
Das Denken kam mächtig von hinten. Mein Elschen stürzte nach vorn auf die Pranken. So war's. So hat's mir mein Elschen erzählt. Mein Elschen war überwältigt. Mein Elschen streckte dem Denken sein Nestchen entgegen. Hand drauf. So war's. Mein Elschen stiess den brünstigen Laut aus dem Hälschen, es streckte den Hintern dem Denken derart schamlos hin, also, so was denkt man sich nicht aus, so war's, sagt mein Elschen, das Denken füllte mein Elschen von hinten aus bis zum Hälschen, es füllte mein Elschen fast zum Zerbersten, es fühlte sich herrlich verboten an, es kitzelte mein Elschen zärtlich von aussen und innen und an den diversen Zäpfchen und Zipfeln.
Das Denken keilte mein Elschen. Das Denken war heiss. Mein Elschen fror. Mein Elschen zitterte. Mein Elschen troff. Mein Elschen schrie. Mein Elschen stiess den Kopf in die Matratze. Mein Elschen biss sich beherzt in die Hand. Mein Elschen stand auf dem Kopf.
So fand ich es vor. Mit blutigem Mund, blutiger Hand und durstigem Hintern. Wie bitte? So was denkst du dir nicht aus. Mein Elschen war masslos durstig. Ich füllte die grüne Kanne und goss meinem Elschen den Hintern mit Milch. Was sollte ich tun? Giessen, sagte meine Elschen, natürlich. Mein Elschen sagte vieles, was ich nicht verstand, und vieles, was ich tat, war nicht das, was ich verstand.
Ich sagte: mein Elschen, bitte, wo ist dein Verstand? Mein Elschen sagte, willst du mich bitte nicht trinken? Ich wusste nicht, wovon mein Elschen sprach. Ich hätte bei Trinken lieber an Tee und an den Mund zum Trinken gedacht. Ich hätte lieber gedacht, wer morgens aufwacht, der steht nicht auf dem Kopf dabei und ist ein durstig Schwellblümelein, mit masslosem Giesswunsch und ich lieber nicht mit mattem Glied schwellungslos daneben so ganz ohne Pracht.
Mein Elschen schrie. Pudelnass goss ich mein Elschen mit Milch. Als die Milch ausgegangen war, goss ich mein Elschen mit Sprudel, dann mit Orangensaft, mit Johannisbeersaft, mit gepresster Zitrone, Ingwerwurzelsud, mit Ananaspuree, mit geschlagener Kokosnuss.
Warum nicht mit Wasser? Es war fast Weihnachten, es war fast mein Geburtstag, es war Schnee draussen, es waren viele Umstände aussen um uns herum, und innerlich war viel Umständliches in uns los, vielleicht war gar kein Wasser da. Vielleicht war das Wasser in den Leitungen gefroren. Vielleicht waren die Leitungen geplatzt. Vielleicht hatte meine Frau die Wasserrechnung nicht bezahlt und wir waren vom Wasser abgehängt. Vielleicht war Wasser das falsche Wort für das, was uns fehlte. Vielleicht war auch fehlen nicht richtig gesagt.
Meine Frau sparte ja zu dieser Zeit schon heftig, wegen des Entschlusses, den sie am Ende des Denkens würde fassen müssen und den sie in Wirklichkeit schon lange gefasst hatte, vorher, und deshalb schon fürsorglich sparte dafür; denn was sie mir zu kaufen im Begriff war, schoss in seinem rasenden Luxus weit über unsere Verhältnisse hinaus.
Mein Elschen schrie, ich soll mein Elschen giessen. Das Bett war pitschnass. Ich fror. Es war ja kalt. Denkst du auch daran, dass ich bald Geburtstag habe, mein Elschen, fragte ich, dazu streckte ich den Kopf nach unten an sein Elschenohr und hub meinen Hintern pö a pö in die Höh empor, wie die Entchen, mein Elschen, flüsterte ich, und meine Hand strich meinem Elschen zerstreut übers obere Hälschen.
Mein Hintern prickelte. Mein Elschen schrie, ich soll sie weiter giessen. Mein Elschen, sagte ich, sagtest du: geniessen? Giessen, schrie mein Elschen, sagte ich, giesse. Gottchen, das kennt man aus den Märchen, man bringt ihnen dies, man bringt ihnen das, dann sind sie Papst und dann sterben sie. Ich war in der Bredouille. Mein Leben kam mir interessant vor. Lebenswert. Darüber ärgerte ich mich. Ich kann Männer nicht leiden, die erst im Kriegsgetümmel so richtig an sich dran reichen können, ich konnte mich nicht leiden, hatte dafür aber keine Zeit.
Giess mich, schrie mein Elschen. Oh, hatte ich mich aufgespart. Oh, es war kein Wasser da, kein Saft, keine Frucht, keine Wurzel, ich war verzweifelt und spuckte das auf sie drauf, was ich hatte: Spucke. Das gefiel meinem Elschen seinem unteren Hälschen. Dann war meine Spucke zu Ende. Ich habe keine Spucke mehr, sagte ich, mein Elschen, bitte, willst du nicht von deinem Kopf bitte runter auf die Füsse steigen und stehn?
Mein Elschen wollte nicht auf die Füsse steigen und stehn, mein Elschen wollte mit dem Kopf durchs Bett zwischen den Beinen ins untere Hälschen gegossen sein. Meine Spucke war alle. Mein Blut wollte ich behalten. Ich pisste auf mein Elschen tröpfchenweise drauf. Mehr, schrie mein Elschen, mehr. Gottchen. Da heulte ich halt auf mein Elschen haltlos drauf.
Mein Elschen stand gierig mit offenem Leib mit dem Kopf die eine Hand herzhaft verbissen ins eigene Handblut im Bett, und ich goss mein Elschen nach Leibeskräften weiter ins untere Hälschen, was zum Himmel hoch hin weithin offen schrie und klaffte und nach Begiessung kläffte.
Ich goss Honig auf mein Vögelchen. Ich schmolz Hasen, Igel, Nikoläuse und Marienkäfer. Ich streichelte meinem Elschen das obere Hälschen, dabei streckte ich meinen trockenen Hintern wies Entchen wieder in die Höh, dabei kam mir keine Idee, obwohl das Blut in den Kopf schoss, kribbelte davon mein Hintern.
Mein Elschen schrie, ich soll sie endlich erkennen, jetzt erkannte ich nicht nur mein Elschen nicht wieder, wie's Wiesenblümlein in den Himmel prankt, ich erkannte auch in meines Elschens Rede keinen Sinn. Und als ich mich bückte, um meinem Elschen mitzuteilen, dass nichts Flüssiges im Haus mehr wär und nichts, flüssig zu machen, um sie zu tränken, dass mein Elschen aufhören muss mit Wachsen und Wuchern und Glibbern und Glühen, da kam mir endlich die eine Idee vom Prickelhintern herbe durch den Rumpf in den Kopf pfeilgerade lang und dünn rettend ins Hirn geschossen.
Entweder zieht sich der Ertrinkende an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf, oder, wenn das Gegenteil vorliegt, zuwenig Sumpf, zu grosse Trockenheit, zu kleine Flüssigkeit, dann steckt der Durstende den Strohhalm nach aussen in die Welt und zieht sich daran hoch.
Denken machte Spass. Ich ahnte grossen Jokus. Ich öffnete das Fenster, steckte den Strohhalm in den Mund und stach ihn nach draussen in den Schnee und sog ihn in die Mundhöhle rein und blies ihn durch denselben rettenden Strohhalm sozusagen rückwärts sabbernd wiederum rettend auf meine Frau kreislaufmässig retour und kriegte sozusagen Tröpfchen für Tröpfchen die Krise in den Griff.
Meiner Frau gefiel das Blasen. Solange Schnee lag, draussen, blies ich und blies und wurde immer dünner dabei und gefiel dadurch daselbst meiner Frau immer mehr sehr, und meine Frau und ich, wir wechselten die Stengelchen und Stecken und Stöcke und Halme und gerieten zoologisch in Wallung.
Darum weiss ich nicht, ob es vorher war, dass wir in Wallung gerieten, als meine Frau in die Stadt gesprungen ist, um was zu kaufen, was nicht viele Frauen sich von ihrem Mund absparen und ihren Männern kaufen würden: mein Elschen kaufte mir eine Frau, o Leute, daran knabber ich noch heute, weil ich nicht weiss, ob mir mein Elschen die Frau vor oder nach der Wallung kaufte, ob es also meine Frau ist, an der ich heute knabber, oder ob meine Frau der Blumenstock ist am Fenster, den ich jeden Tag giess und besabber, und weil ich zu keiner Gewissheit komme, und weil Verwandlung so eine unbestimmte Sache ist, halte ich das Beknabbern des Blumenstocks für das Salz in meinem Leben und streng vor meiner Frau geheim.


Für Quereinsteiger: Zur Hauptseite von Urs Engeler Editor