Peter Waterhouse

Einbruch ins große Verzeichnis




Es durchqueren einander Gestalten. Gestalten näher bestimmen: Gestalten wie blaue Wellen, Ströme, Felder, Wolken, Monde, Weine, Wucher, Fahrer, Gedanken, Gesänge, Zick-zack- Hasenlinien, Gärtner, Ich-weiß-nicht. Ein Gärtner oder ein Ich-weiß-nicht geht durch einen Garten, durchquert einen Garten; er durchgärtnert den Garten, der Garten vergärtnert sich in ihm, verarbeitet sich, verwandelt sich, verfärbt sich, fast: erkennt sich, erkennt sich im Gärtner, im Garten.
Durch das Bild DER GARTENARBEITER quert eine rote Gestaltfläche oder Strichsache, als die rechte Bildhälfte, sie geht da mehr oder weniger diagonal vor sich, ich weiß nicht, was sie ist und nenne sie 'Strich-Sonne'. Durchquerend die rote 'Strich-Sonne' ist gelbe 'Strich-Sonne'. Und etwas Viol-Blaues durchquert einigermaßen gestutzt die Gartenmitte.
So wie das oder der Viol-Blaue, der 'Zaun', durch den Garten geht, so etwa geht der Gärtner, die 'Grün-Jacke', die Strichjacke oder: Jacques im gestrickten Garten. Man muß es aber anders sagen: der Gärtner nicht im Garten, sondern als Garten. Der Gärtner als Garten - Jacques als Garten-Gestrick - Jacques als Jacke.
Anstatt Gestalt vielleicht: Kleid. Kleid gestrickt aus Gesten. Der Maler kleidet sich: Da drüben, schau. Er kleidet ('sich') mit einer Sache, welche aus Durchquerungen entsteht. Er kleidet sich und verstofflicht sich als Sache, welche aus Durch . . .
Jene Winzige in der Bildmitte, jene aus Gartenrot, aus Gartengrün und Gartenbraun entwickelte oder verwickelte, sie hat den Fuß und hebt den Fuß und steigt über eine Grenze. Etwas hat ihr gefehlt. Mit dem Schritt hinüber wird sie es wiederfinden. (Wie wenn man übersetzte aus einer Sprache in die andere und dabei würde aus 'little sticks' - 'gestickt'.) Das Bild könnte auch den Titel haben: DIE ÜBERSETZER UND ÜBERSETZERINNEN.
DER ONKEL, besser der 'Onkel', ich weiß nicht, wer und wie er ist, aber gewiß einer, der 'sich' von der Dunkelbläue beeinflussen oder durchfließen läßt, auch von (grauem) Braun und wenig Grün berühren läßt. Ist er, der beeinflußte oder durchstrichene oder durchgestrichene mit Gewißheit unterscheidbar von seiner Umgebung? Gibt es überhaupt das Zweierlei: Der Mann und die Welt? Ist da nicht Verwandtschaft (nicht 'mein' Onkel, sondern 'der'), eine Spiegelungsfläche als weißes Hemd unter dem hellblauen Himmel.
Ist das Gesicht des Onkels zu sehen, der ganze Körper, weiche Gliedmaße. Formt er sich zu einem, der blickt oder steht oder geht oder lehnt oder denkt? Sind zum Beispiel die Schatten der Onkel?
DER IDIOT, man kann vielleicht sagen: er läßt sich nicht trennen von der Welt. Wer ihn erkennt, wer dem Titel des Bilds Glauben schenkt, wer die Hose als Hose ansieht, die Schuhe als Schuhe, der hat etwas Wichtiges weggenommen. Anstelle von Hose müßte man erlernen zu sagen: braune längere Striche - braune kürzere Striche - blaue Eins - blaue kurze Striche - gelbe Stelle - oranger Fast-Buchstabe - dunkles Grün, das sehr ernst aussieht - nämlich spinatdunkles Grün - dann ein anderes Braun - hellgrüne Einheit. (Mit solch einer Ausführlichkeit könnte ein Maler in einer Kleidungsabteilung seinen Wunsch beschreiben, der Verkäufer würde unterdessen an den Bildtitel DER IDIOT denken.)
Bevor es ein abgeschlossener Buchstabe wird, der dann zu einem abgeschlossenen Wort führen wird, setzt die Bewegung wieder aus. Es ist wohl ein Zucken, nicht ein Schreiben; ein Denken anstelle von Schreiben. Kein Runden und Schließen und Vollenden, sondern dem Puls verwandter oder dem Blitz im Gewitter. Der Blitz zuckt, es ist kein Wort daraus gekommen, aber eine Verbindung, ein Kurzschluß, ein Nachweis, eine Innigkeit, eine Möglichkeit: Nähe, aber nicht der Leib des Herrn. Der Leib ist kein Leib, der Herr ist kein Herr, der Mond ist kein Mond, der Wein ist nicht Wein. Der Blitz ist vorbei.
Es gab einen Körper, der sich geregt hat. Wo sind jetzt diese Regungen, Wendungen, Stellungen, die Fahrigkeiten, das Wiegen, das Balancieren? Sind in einem Arm die Spuren aller seiner Hebungen und Senkungen, alle Griffe, Züge aufbewahrt? Ist etwas verzeichnet im Körper? Verzeichnet: der Körper hat sich verzeichnet, wie verwirrt, Fehler gemacht, doch dabei ein Verzeichnis geschaffen, ein Archiv. Das Wirrwarr als memoria.
So etwas Verzeichnetes scheinen diese Bilder zu verstehen. Sie benötigen daher, als Motiv, Körper.
Sie erzählen dabei, daß der Mond kein anderer Körper ist als der Körper des Menschen und die Wiese kein anderer Körper ist, daß auch der Sommermonat ein Körper ist und der Frühling. Der Frühling und der Onkel sind entfernte Verwandte. Sie sind verwandt in ihrem Dasein sehr vergänglicher Zuckungen. Der Frühling verzeichnet sich, wie verrechnet sich, dabei aber verzeichnet/zeichnet er den Frühling. Der Onkel legt ein Hemd in Falten, wie wenn der Frühling durch den Garten käme. Im Garten wippen Blätter, neigen sich, kreuzen sich Halme, fliegt der Vogel, öffnet der Schmetterling sein Flügelpaar, der Traktor auf der Wiese wendet, kehrt hinter eine Kuppe zurück, das Rot seines Lacks ist wie verflogen: wo ist es jetzt? Faltenveränderung im Hemd, Veränderungen auf der Wiese. Der Traktor wendet; der Onkel hebt einen Arm in die Höhe. Der Himmel voll Vergänglichkeit, voll Vergangenheit und Wolken. Der Wind voll unerkennbarer Rufe und Schreie und ferner Orte und Blätterrauschen und Verwirbeln der Haare. Wenn einer schreit, das vergeht ja nicht (im Fortschritt), das durchquert aber und verändert sich dabei, idiotisiert sich sozusagen, verfaltet sich, verwirrt sich. Errare humanum est, das ist, gerade an diesen Bildern wird es klar, nicht das 'Sich' irren, sondern ein Umherirren, dabei aber Bleiben, als Dasein fein und kaum erinnerbar. Das Rot des Traktors hinter der Kuppe ist jetzt errare. Über den gemähten Zellen bleibt der Fahrer, die beiden Hände, die um das Steuerrad gelegten, der Kopf, der am Ende der Zelle zurückblickt und Maß nimmt für die Umdrehung, der Fuß, der mit seiner Stellung die Geschwindigkeit dosiert. Im Herannahen und Lautwerden ist das Entfernen und Leisewerden - als errare. Ein großes Verzeichnis.
CLAUDIAS HOF: die Wasserflasche auf dem Tisch ist erst kürzlich hingestellt worden, kein Bauch sondern erst der Beginn der Bewegung; nach ein paar Stunden wird sie aussehen wie das Dickicht unter dem Tisch.
Ist nicht im ANLIEGENDEN MOND Tanz, Gehen, Armheben, Sturz, Jubel, Ohr, Flamme, Füchsigkeit, Grimasse, Fratze, Distel, dunkles Aug, Versteck, Pfade, getrockneter Fleck, auch Nichtmehrzurückkönnen, Bärtigkeit und Fell, Herzkranzgefäß, Ungeschiedenheit, ein erfüllter Kopf, der Denker, ein Körper, viele Körper, der von Abschieden Verwilderte, Rückkehr der Abschiede, Krokusse und Harlekin, Stroh, flachgetretene Gräser, der Platz auf dem alle gestanden sind und jetzt bleibt zurück das Geknickte, Platz des vorübergezogenen Zirkus.
Es bleibt also. Wie der Mond eine riesige Sammlung von Bleibendem ist, Staub, Sand, Elemente und wahrscheinlich Stroh, Pfade, Verstecke, Anrufungen, Besingungen, Fratzen, verdächtige 'Elemente', Licht und Gelichter und Jubel, so ist auch der Gesang der Madame Galego ein riesiger Haufen von Bleibendem, ein Gestirn, das durch Anziehungskraft festhält.
Also sind jene einander durchquerenden Gestalten Anziehungskräfte, glaube ich. Man betrachte DER HAUFEN: LE CHANT DE MADAME GALLEGO EN MONCEAU. Der obere Rand des Haufens ist aktiv, dort findet Austausch statt und Anziehung. So wie Austausch stattfindet und Anziehung im Titel des Bilds - der deutsche Anteil am Titel tauscht sich aus mit dem französischen, ergänzt sich und erweitert sich um den französischen, anderen Titel, verwirklicht sich in der Fremdsprache. Madame Gallego aber ist Portugiesin, Hausmeisterin in der rue Eugène Millon in Paris, im Haus gegenüber der Blindenheilanstalt. Sie singt tagsüber im Stiegenhaus, es ist ein Vokalgesang, während sie die Böden der Stockwerke mit Wachs einläßt und die Stangen und den Handgriff des Treppengeländers, daß dann alles blitzblank ist, wörtlich 'blitzblank', blitzend und blanc wie in der Mittagssonne das Blechdach der Blindenheilanstalt. Hier sind einige Kräfte oder Körper im Spiel, welche man bestimmen kann, das blitzblanke Stiegenhaus und das Dach vis à vis; die Reinigungsarbeit mit Wachs, welches auch der Maler in der Wohnung in der Hand bereit hält, Arbeit, aus der wie Striche, dann Felder auf dem Holzboden entstehen, und Malerei, bei der aus der Handbewegung 'blaue Büschel' entstehen - aus dem Arm kommt frisches blaues Gras; die Nähe von Politurarbeit und Gesang (der Gesang vokalisch, keine identifizierbare Sprache). Diese Kräfte können einander, die eine um die andere, erweitern oder umkreisen, wie es die Kräfte der zwei Sprachen im Titel des Bilds tun. Die Frau mit dem Politurwachs steht in einem Verhältnis oder Gespräch mit dem Wachsmaler. Das Dach der Blindenheilanstalt blitzt zusammen mit dem Stiegenhaus; oder das Stiegenhaus zieht den Dachblitz des anderen Hauses an, den Blitz auf dem Haus der Blinden. - Aber woanders hat es eine Wiese gegeben, eine Wiese als weiteren Anziehungsfaktor, der Gesang, in einem anderen Bild der Gallego-Serie, durchquert jene Wiese, zieht sie an, wird von ihr angezogen. 'Ich ziehe etwas an' - ich ziehe es herbei, locke es herbei, aber anziehen kann auch bedeuten: über meinen Körper legen, mich kleiden. Die Erde zieht den Mond an - sie übt eine Kraft auf den Mond aus; doch kleidet sie sich auch mit dem Mondlicht.
So zieht der Maler 'den Körper' an: hält ihn fest oder nahe oder unverloren und zugleich bekleidet ihn mit dem Veränderlichen, Vergangenen, Winzigen, Unsichtbaren. DER ANLIEGENDE MOND: ein Hemd kann anliegen, auf der Haut liegen, über dem Körper liegen, der so zuckt und ruhelos ist und denkt und winkt und wendet. Der anliegende Mond liegt vielleicht wie ein Hemd, zumindest Lichterhemd, auf dem Körper. Der Maler zieht den Mond an, zieht eine Wiese an, zieht auch sich selbst an, so daß alle anliegen. Dieses Anliegen, diese Oberfläche ist das Bild, Tiefes gibt es nicht. Tuch statt Tauchen. (Manche Bildränder sehen aus wie Tuchränder.)
Vielleicht darum, weil Michael Donhauser ein großgewachsener Mensch ist, erinnert man viele seiner Haltungen. Diese eine Haltung will ich berichten: es ist eine Haltung, die er hatte bei dem Versuch, sich zu kleiden. Das war inmitten des Kalterersees in einem schwankenden Ruderboot. Er versuchte, eine Hose anzuziehen; das ist nicht leicht in einem schmalen Ruderboot, für einen kleinen Menschen etwas leichter als für einen großen. Er hielt sich fest an einem der beiden Ruder, keine gute Sache, um sich daran festzuhalten, denn die Ruder selbst werden kaum gehalten, sollen ganz beweglich sein. Er hielt sich also fest am Beweglichen, einer Art Stift, der vor- und zurückschwingen muß, verschiebbar ist, drehbar sein soll, eintauchen muß und herausgehebelt werden muß, überhaupt abnehmbar und abtrennbar vom Boot ist, eines der unfixesten Teile eines Bootes. An diesem Ding der Bewegung hielt er sich, davon angezogen nämlich, fest und versuchte dann, auf einem Bein zu stehen. Aber das Ruder verschob sich, drehte sich, wich, ließ sich ziehen, eine widerstandslose Sache. Festhalten an der fast reinen Widerstandslosigkeit. Und das Wasser ja eben so unfest, bei jeder Körperbewegung schwankte das Boot, zeigte sofort etwas an, was der sich Kleidende machte. Einmal war das Ruder ganz in die Höhe gezogen, aber darum nicht eine bessere Stütze, einmal war es unten im Schiffsbauch, aber auch darum nicht eine bessere Stütze, einmal war es nach vorne geneigt, einmal nach hinten, einmal war es schon ganz auf der anderen Bootsseite. Das Schwankende, das Ruder; der Schwankende, der Mann. Beide in schöner Veränderung. Das Ruder wie ein langer Arm des Malers, immer wieder eingetaucht in die blaue Farbe. Der Maler wollte nicht malen, sondern sich anziehen. Es war alles so verwackelt, daß er sich entweder immer wieder fallen lassen und niedersetzen mußte oder in der Hast neben die Öffnung des Hosenbeins traf. Unser, der Zuschauer, Gelächter hatte keine stabilisierende Wirkung. Arm und Ruder, Rumpf und Bootsrumpf. Es waren Anziehungskräfte da auf dem See, auf der blauen Fläche, welche wir durchquerten.
Der Gesang, wenn man genau hinblickt auf DER HAUFEN: LE CHANT DE MADAME GALLEGO EN MONCEAU, der Gesang lagert sich den Halmen an, haftet auf ihnen, als Flecken, manchmal als Striche wie die Halme selbst. Er wird, kann man sagen, grasig. Der Gesang wird wie Wachs eingerieben dem Gras oder Stroh oder den Halmen. Madame Gallego im Stiegenhaus ist wie über Wiese gebeugt, über Blühendes, Wachsendes. Warum ist das so? Vielleicht weil sie singt wie ein Vogel? Weil sie verlockt? Weil, was sie da tut, ein Nicht-Mähen ist, aber ein Hervorbringen, Wachsenlassen, Leuchtenlassen? (Die rote Farbe ihrer Gallego-Vokale ist dasselbe Rot wie auf den Umschlägen der kleinen Dictionnaire-Reihe in der Collection 'Portefeuille' des Pariser Verlags Librairie Hatier - französisches Wörterbuchrot, auch Lexikonrot, siehe Larousse/Dierote.)
Das Vokalkolorit der Madame Gallego konvertiert das Gras? (Guide de Conversation)
Man soll daran denken, daß der Maler dieser Szene in Frankreich gemalt hat oder in seinen Gedanken oft in Frankreich ist, in Wien oft an Paris denkt oder von Paris erzählt, träumt, Paris hat auf den in Wien Wohnenden eine Anziehungskraft, gibt auch einen Ton, ein Echo. Gallia Celtica.
Ego. Gallego.
Aber das 'durchquerend'/'traversant': man mag an Hühner auf der Wiese denken, gallinae, auch an Glucksen.
Ist da nicht auch Galimathias (discorso confuso)?
Madame Gallego, die Galicierin (der Benennung zufolge), aber aus Portugal, Portugalicien. Keine Französin, aber gallicizzante, französelnd, beeinflußt, durchtränkt, durchquert. Gallisch: das heißt: französisch (doch nicht im Französischen). Madame spricht ein unreines Französisch, das von einigem Nicht-Französisch durchquert wird (wie wenn Hasen über eine Wiese laufen, die Rehe nachts kommen, im Wald ein Tier keucht, Wolken durch den Himmel fahren, Gedanken entstehen, Erinnerung da ist, Blumen zittern, wie Rot in einem blauen Bild, wie Kuppen erscheinen, Kurven, nach und nach neue Felder, ein Dorf, Telephonzellen, Fernblicke, Bäume und ihre Haltungen, dann Gesträuch, dann ein See und dann die Nacht, mit ihr die Scheinwerfer - und sich langsam die Landschaft formt, die im ersten Anblicken leer war).
In der, später korrigierten, Bildunterschrift: Galego. Auch im Adressbüchlein: mit einem 'I'. Im Brief aus dem Gasthaus Bad Rans: Gallego. Schwankend zwischen Gallien, Galizien. (Zwei Strichlein, ein Strichlein.)
(Gallizien/Galicija heißt ein Dorf in Österreich, es ist an der Drau gelegen und hat 1700 Einwohner; ich sitze, daß mein Rücken Gallizien zugekehrt ist, welches hinter dem Koschitz liegt, 4 Kilometer entfernt. «Seit 1430, nachdem die Reliquien aus Santiago de Compostela in der spanischen Landschaft Galicia hierher gebracht worden waren, heißt der ehemals Gestidorf genannte Ort Gallizien.» Sehenswert im Ort: die Jakobskirche.)
EIN LUFTZUG (15 BEWEGUNGSFORMEN): dank der Durchquerung - ein Luftzug geht hindurch - wird es. Diese Blätter französeln, es geht etwas durch sie hindurch, sie frösteln. Es wird aus Eins Fünfzehn; es ist ein Luftzug, ein unbestimmter, er wird im Durchqueren fünfzehn, er wird der Verwandler, jetzt der und jetzt der. Er verhält sich; ein Niemand der sich gebärdet; ein Ungeheuer, ein ungeheuer Äußerlicher.
Zum Beispiel: die Gebärde eines Flugs, von einem Dreijährigen gemalt. Haftengebliebene Gebärde eines «Flugzeugs, das aufsteigt». (Wie: Elmsfeuer erkennen können auf der Kapuzinerkresse oder dem Mohn.)
Oder der Dreijährige steigt heraus aus dem Badesee, jetzt im Abendwind wird ihm kalt, er steht, bevor ich mit dem Badetuch zu ihm hingehe, ihn einzuwickeln, da und fröstelt, zittert. Er zittert und betrachtet seinen zitternden Körper und sagt: «Schau, der Wind zittert.»
Wieder der Dreijährige: Von einem Pfau erschreckt, der im Dunkel eines dunklen Käfigs in Tokio stand, hervortrat, sein Rad schlagend und einen Schrei ausstoßend. Ein paar Monate später erzählt das Kind: der Pfau in Tokio; ich hab Angst gehabt; da läuft es zum Fenster und zeigt auf den kürzlich entstandenen, quer über das Fenster gezeichneten Riß im Fensterglas. (Haftengeblieben im Glas.)
Der Gesang der Madame Gallego bleibt haften in der Wiese; bleibt haften im Haufen. Wie eine Klette an der Kleidung haftet. Dabei unentschieden: Ist es eine Wiese, ist es ein blaues Blütenmeer, ist es Gesang? Wie: In den Bäumen ist eine Haltung haftengeblieben: Sind es Bäume, sind es Haltungen, Menschen, Erinnerungen, Augenblicke, Nymphen, Passanten?
Etwas bleibt im Gedächtnis haften. Der Gesang hat das Gedächtnis gefunden, ein dafür bereites Wiesengras. Dort im Gras wird der Gesang gedacht und gedacht, aufbewahrt, erinnert. Der Gesang, der flüchtige, hat Einlaß in den Speicher gefunden. Kein Sprecher, sondern Speicher. Der Speicher für das Idiom Gallego (Guide de Gallego). Der Gesang findet seinen Boden. Boden heißt der Heuspeicher; Heuboden. Der Gesang findet seinen Grasboden und Heuhaufen. 'Der Gesang der Bodenmalerin Gallego findet seinen Boden, blaue und grüne Wachsbüschel.' Wachs zu Wachs. Asche zu Asche. Staub zu Staub.

St. Velt/Jauntal im Juli 1994


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