Hans-Jost Frey

Metapher




In der Welt sind mehr Dinge als Wörter. Nicht alles hat einen eigenen Namen. Aber alles steht mit anderem, und erinnert dadurch daran, in irgend einer Beziehung, sei es, dass es ähnlich aussieht oder sich ähnlich verhält, sei es, dass es daraus hervorgeht oder es bewirkt, oder dass es ein Teil davon ist oder selber es enthält. Das weisse Blatt, auf das ich schreibe, ist flach und dünn wie das grüne, das am Baum hängt, das Korn, das auf dem Feld wächst. enthält dieses als seine Frucht, und wenn man an Bord geht, findet man ein Schiff, und nicht nur die Bretter, aus denen es gezimmert ist. Beziehungen dieser Art machen es möglich, mit weniger Wörtern über mehr Dinge zu sprechen. Für etwas, wofür es kein Wort gibt, lässt sich eines setzen, das eine Sache bezeichnet, die mit dem, was man sagen möchte, in einer Beziehung steht, die eine Übertragung einleuchtend und das Wort in der neuen Bedeutung verständlich macht.

Katachrese: uneigentlicher Wortgebrauch, Verwendung eines bekannten Wortes für eine Sache, für die die Sprache keines vorsieht.

Die Katachrese bringt den Gewinn der Einsparung von Wörtern, denn eines versieht die Stelle von mehreren. Nicht mehr hat nur das Lebewesen einen Kopf, auch der Brief und der Nagel sind damit versehen, im Kopfbahnhof enden die Schienen, und zwischen der Kopfzeile und der Fussnote findet der ganze Textcorpus statt. Dass Wörter mehreres bedeuten können, vereinfacht die Vorratshaltung im Sprachhaushalt, ohne dass die Verständigung, wenn es um sie geht, zu stark gestört wird, weil die Umgebung der Wörter meistens ausschliessen hilft, was mit ihnen nicht gemeint ist.

Die Sparsamkeit der Sprache setzt eine Deutung der Welt voraus. Damit ein bestehendes Wort auf eine Sache angewendet werden kann, die noch unbenannt ist, muss deren Beziehung zu dem, was es bereits bezeichnet, erkannt sein. Die in einer Sprache gewöhnlich gewordenen Katachresen legen eine bestimmte Ordnung der Dinge fest, der sich alle Redenden zunächst einmal fügen. Nur weil sich zwischen dem oberen Ende eines Briefbogens, einer bestimmten Art von Bahnhof und jenem Teil eines Nagels, auf den man mit dem Hammer einschlägt, eine Verbindung herstellen lässt, kann das Wort Kopf nicht nur für alle Köpfe, sondern auch für Dinge gebraucht werden, die nicht wirklich Köpfe, sondern in einer gewissen Hinsicht wie solche sind.

Jeder uneigentliche Wortgebrauch beruht auf einem erkannten oder angenommenen Zusammenhang der Sachen, aber wenn es für das Gemeinte bereits ein Wort gibt, so ist es sprachlicher Luxus, es durch ein anderes zu ersetzen, und wenn nichts als der Hinweis auf die Sache bezweckt ist, lässt sich der uneigentliche Ausdruck ohne Verlust abbauen, wenn man nicht überhaupt von Anfang an darauf verzichtet. Das Besondere an der Katachrese ist, dass man nicht ohne sie auskommt. Sie ist, weil es kein eigenes Wort für das gibt, was sie meint, notwendig: anstatt Sprachluxus ökonomische Sprachausnützung aufgrund sachlicher Einsicht. Die Sprachverlegenheit des Menschen, der fliegen lernt, lässt sich durch Rückgriffe auf den Wortschatz der Schifffahrt weitgehend beheben, und wer durch die Luft anstatt auf dem Wasser reist, geht im Flughafen an Bord, ohne über Metaphorik nachzudenken.

Die Katachrese, kein Zweifel, ist insofern ein uneigenlicher Wortgebrauch, als in ihr ein Wort von der Sache, auf die es sich in erster Linie bezieht, abgezogen und für eine andere gebraucht wird. Aber das uneigentliche Wort ist im Fall der Katachrese durch kein eigentliches ersetzbar, weil ein solches fehlt. Die Katachrese ist die rhetorische Figur, die nicht reduzierbar ist. Sie ist unersetzlich, unübersetzbar. Das uneigentlich gebrauchte Wort ist die eigentliche Bezeichnung dessen, wofür es keine gibt. Das Uneigentliche, wo es notwendig ist, wird eigentlich. Das abgeflachte Ende des Nagels ist nicht eigentlich ein Kopf, aber wenn ich es so nenne, teffe ich den Nagel auf den Kopf, unvermittelt und direkt, denn ich nenne es bei seinem einzigen und eigentlichen Namen.

Obwohl in der Katachrese ein figürlich gebrauchtes Wort zur eigentlichen Bezeichnung wird, ist die Unterscheidung zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung durch die ambivalente Stellung des Worts nicht wirklich gefährdet. Die katachrestisch gebrauchte Metapher oder Metonymie bleibt ohne weiteres als solche erkennbar, und meistens besteht die wörtliche Bedeutung neben der übertragenen weiter. Dennoch verändert die Doppelstruktur der Katschrese die Einstellung zu ihrer Figürlichkeit. Dass diese für die Bezeichnung des Gemeinten unerlässlich ist, macht die Beziehung zwischen Wort und Sache komplex. Die Katachrese ist uneigentlich eigentlich, zugleich Figur und nicht. Das kann zwei einander entgegenlaufende Veruche in Gang setzen, die Beziehung zu vereinfachen. Der üblichere und unauffälligere besteht darin, dass man zufrieden ist, jetzt über ein Wort für die vorher unbenannte Sache zu verfügen, und vergisst, dass es sich dabei um eine Metapher handelt. Die meisten abgeschliffenen Metaphern sind Katachresen, deren Figürlichkeit als eigene Wortbedeutung in die Sprache eingegangen ist. So wird vieles aus dem geistigen Bereich durch Katachresen, die aus der sinnlichen Wahrnehmung entlehnt sind, ausgedrückt, ohne dass diese Übertragungen bei der Verwendung der Wörter mit bedacht zu werden brauchen (Geist, Einsicht, erwägen, einleuchten, erklären...). Die andere, beunruhigendere, Möglichkeit, die Doppelstellung der Katachrese abzubauen, besteht darin, die Figürlichkeit wörtlich zu nehmen. Davor scheut etwa nicht zurück, wer einen Tisch mit Löwenfüssen herstellt, oder wer keinen Hammer in die Hand nimmt, weil er das Einschlagen eines Nagels als Mord erfährt.

Das Ernstnehmen der Figürlichkeit verändert die gemeinte Sache. Der Tisch und der Nagel drohen lebendig zu werden. Unbelebtes macht sich selbständig, wird bedrohlich oder verletzlich. Aber auch ohne diese animistische Dimension hat der Vorgang der Metaphorisierung eine sachverändernde Wirkung, die keineswegs auf die Katachrese beschränkt bleibt, und von der die Frage der Übersetzbarkeit von Metaphern nicht zu trennen ist. Nicht alle unübersetzbaren Metaphern sind Katachresen. Wenn etwas anstatt mit dem in der Sprache vorrätigen Wort metaphorisch ausgedrückt wird, so wird dadurch ein bestimmter Zug hervorgehoben oder eine neue Erfahrung, vielleicht sogar eine neue Erkenntnis der Sache mitgeteilt. Gegenüber der wörtlichen Bezeichnung verändert die Metapher das Bild des Gemeinten auf irgend eine Weise. Diese Veränderung, die das gewöhnlich verwendete Wort nicht zu fassen vermag, macht die Metapher zwar nicht notwendig, aber dennoch unersetzlich. Die Katachrese ist nur ein äusserster Fall dieser aller Metaphorik einwohnenden, wenn auch mannigfach abgestuften, Unübersetzbarkeit.

Die übersetzbare Metapher ist überflüssig.

Übersetzbar ist eine Metapher in dem Masse, als bei ihrer Zurückführung auf das eigentliche Wort nichts verloren geht. Das an ihr, was nur sie von der Sache mitzuteilen in der Lage ist, und was in der Übersetzung untergeht, ist das Katachrestische an ihr, das sich nicht abbauen lässt und den Erkenntniswert der Metapher ausmacht, sie legitimiert. Das Bedürfnis nach metaphorischem Ausdruck muss aufgrund der Begrenztheit des normierten Sprachvorrats entstehen. Nicht alle Redenden empfinden diesen Mangel im gleichen Mass. Vielen genügt weniger, als die Sprache an Vorgeprägtem bereithält. Andere, die ins weniger Vertraute vorstossen, suchen nach erweiternden Möglichkeiten. Diejenigen schliesslich, die mit dem Äussersten in Berührung kommen, sprechen am Rand der Sprache von dem, was noch nicht gesagt worden ist. Die haltbare Metapher dient der Genauigkeit. Während das sprachübliche Wort für eine Sache diese neutral gegenüber stellt, setzt der uneigentliche Ausdruck sie in Beziehung zu etwas anderem und damit zu dem, der diese Beziehung wahrnimmt oder herstellt. Es wir ein einschränkendes, weil akzentsetzendes Verhältnis zur Sache wiedergegeben oder geschaffen, es wird durch die Art, wie sie bezeichnet wird, etwas Bestimmtes über sie ausgesagt oder in Erfahrung gebracht. Insofern als das Gemeinte des eigentlichen Worts immer erkennbar bleibt, ist die Metapher übersetzbar, aber nur auf Kosten der präzisierenden Besonderheit, die in ihr der Sache zugeschrieben wird. Gerade diese nicht reduzierbare Bezüglichkeit ist aber das eigentlich Gemeinte der Metapher: ihr gemeintes Eigentliches, Unübersetzbares, Katachrestisches.

Die Sprache der Dichter ist katachrestisch.

Die Dichter sprechen am Rand. Sie sprechen nicht nach, sondern vor, und was sie sagen, war entweder noch ungesagt oder wird dadurch anders, dass es noch nie so gesagt worden ist. Das muss nicht zu einem gewaltsamen Umgang mit der Sprache führen, wohl aber zu einem verfeinerten Gefühl für das Formelhafte der gedeuteten Welt der Zufriedenen und die Möglichkeiten, deren Selbstverständlichkeit aufzulösen. Eine dieser Möglichkeiten ist die Metapher, die, indem sie ungewohnte Beziehungen herstellt, Wörter entwurzelt und neuen Verwendungen zugänglich macht. Die so wirkende Metapher kann man die dichterische nennen, selbst wenn Dichtung dieser Art auch ausserhalb der Literatur vorkommt. Die dichterische Metapher zwingt, weil sie nicht vorverstanden ist, dazu, dass man über sie als solche, das heisst über die in ihr postulierte Ähnlichkeit, nachdenkt. Der in ihr stattfindende Vergleich will erst gelernt sein.

Der Rand, an dem der Dichter spricht, ist doppelt zu denken: als Rand der Sprache und als Rand des Möglichen.

Die Metapher am Rand der Sprache ist immer eine Katachrese, die Bezeichnung eines noch unbenannten Aspekts einer Sache durch deren Ähnlichkeit mit einer anderen. Der Rand der Sprache ist hier nicht der des Sprachmöglichen, sondern der des Gesagten als der bereits verwirklichten Möglichkeiten der Sprache. Neues zu sagen erfordert den Rückgriff auf schon Gesagtes, dem es sich angleicht. Aus dem bekannten Gebrauch lassen sich neue, vergleichbare Möglichkeiten der Verwendung von Sprache gewinnen, die sie auf das noch Ungesagte hin erweitern. Eine - oft vielleicht gleichzeitige - Umkehrung dieses Vorgangs führt über das von der Sprache ausgehende, mit ihr spielende Experiment zur Erschliessung neuer Inhalte. Nicht immer sucht man nach Worten für etwas, wofür man keine hat, weil es nicht in der Ordnung aufgeht, wie sie im Wörterbuch der Durchschnittlichkeit festgelegt ist. Es kann einem umgekehrt einfallen, Wörter miteinander zu verbinden, ohne genau zu wissen, was man zu sagen vorhat, und es sich vielmehr von der Sprache sagen zu lassen. Sie kann dann, unter anderem, Metaphern liefern, die erkenntnisstiftend sein können.

Die Erweiterung der Sprache durch die noch unerprobte Ausnützung ihrer latenten Möglichkeiten ist alltäglich und geschieht jedesmal, wenn etwas Neues gesagt wird. Aber es kann vorkommen, dass man anstatt an den Rand des schon Bekannten an den Rand des Möglichen gelangt. Das Jenseits dieser Grenze ist weder der Erfahrung zugänglich, noch gibt es eine Sprache dafür. Religiöse Vorstellungen sind ins Jenseits des Menschenmöglichen geworfene menschliche Metaphern, die, geglaubt, zu Katachresen werden, deren Besonderheit darin besteht, dass das, was sie bezeichnen, nicht gegeben, sondern eine Fiktion, also eine sprachliche Setzung ist, die nicht mehr als solche erkannt ist. Anstatt Metaphern ins Unmögliche zu schleudern und sich von ihnen, als wären es Leuchtkugeln, die Erhellung des Unzugänglichen zu versprechen, wäre es möglich, die Grenze des Möglichen als die der Sprache anzuerkennen und an ihr nichts zu sagen, als dass über das, was jenseits davon ist, nichts zu sagen ist. Die Verneinung der Sagbarkeit dessen, was am Rand des Möglichen klafft, ist die Katachrese des Unmöglichen. Unsagbar - und auch unsagbar - ist das Wort für das, was, unerkennbar, doch nicht wegzudenken ist, und für das es keine Sprache gibt. Die Eigentlichkeit des Unsagbaren wäre nur im Verstummen zu erreichen, in das übersetzt es verschwände.


Die Unübersetzbarkeit der Metapher

1
Dass man Metaphern oft von der einen in die andere Sprache übersetzen kann, ist jetzt nicht gemeint. Die Übersetzung der Metapher soll hier ihr Ersatz durch das Wort sein, dem ihr Gemeintes als seine eigentliche Bedeutung zugehört. Diese Übersetzung, die im allgemeinen ohne Schwierigkeit durchführbar zu sein scheint, ist allerdings dann unmöglich, wenn ein eigentliches Wort fehlt. Metaphern dieser Art heissen Katachresen. Es sind notwendige Metaphern, die, obwohl uneigentlich, als eigentliche Bezeichnungen gelten müssen und als solche unübersetzbar sind. Man kann sich nun fragen, ob, inwiefern und wie eine solche Unübersetzbarkeit auch bei Metaphern, die keine Katachresen sind, auftreten kann, eine Frage, die nicht hinfällig erscheint, wenn man an die oft unbedacht behauptete und hingenommene Unübersetzbarkeit der dichterischen Metapher denkt.

Die Unterscheidung zwischen eigentlicher und uneigentlicher Rede, für die Rhetorik grundlegend, wird durch die Katachrese, in der ein uneigentlich gebrauchtes Wort die eigentliche Bezeichnung dessen ist, wofür es keine gibt, in Frage gestellt. Das Uneigentliche, wo es notwendig ist, wird eigentlich. Nun könnte man, über die Schwierigkeit sich hinwegsetzend, die Bezeichnung als ausreichende Bestimmung eigentlicher Rede betrachten und vertreten, es genüge, möglichst umweglos zur Sache zu gelangen. Die Bezeichnung setzt lediglich voraus, dass man die Sache kennt und über ein Zeichen verfügt, das sie zweifelsfrei aufruft. Insofern als das Zeichen beliebig sein kann, hat auch beim sprachlichen Bezeichnen die Sprache keinerlei Eigenwert und keinen Einfluss auf das zu Bezeichnende, dessen sprachunabhängige Kenntnis vorausgesetzt wird.

Bezeichne ich nun den Salatkopf, wenn ich ihn so nenne? Wenn ich es ganz ohne Neben- und Hintergedanken tue und dabei nichts im Sinn habe als was vor mir liegt, so kann es mir so vorkommen. Dennoch ist die reine Bezeichnung eine Illusion, denn das Zeichen, das ich verwende, ist ein sprachliches und als solches mannigfach aufgeladen. Das Wort bringt, ob ich das will oder nicht, den Salatkopf in Beziehung zu dem Kopf, den ich trage, zum oberen Ende eines Nagels, zu einem Briefbogen mit aufgedruckter Adresse und manchem anderen, ganz zu schweigen davon, dass Salat das Gesalzene, und erst noch in einer anderen Sprache, ist, und ich vom Kopf im Garten so spreche, als stünde er schon zubereitet auf dem Esstisch. An all das brauche ich nicht zu denken, wenn ich einen Salatkopf erwähne. Aber die Sprache denkt es für mich, die aufbewahrt, was andere vor mir im Zusammenhang mit dem Salatkopf gedacht haben.

Wörter speichern die Geschichte ihres Gebrauchs und verlieren dadurch die Neutralität, die man von ihnen erwarten müsste, wollte man sie als reine Zeichen betrachten. Indem ich vom Salatkopf spreche, teile ich viel mehr mit, als was ich wahrnehme. Ich gebe zu verstehen, dass ich das, was ich sehe, identifiziert habe, es als etwas erkannt habe, was durch seine Form gewissen anderen Dingen ähnlich, zudem essbar ist und auf eine bestimmte Art zubereitet wird. Dadurch ist das grüne Ding, das ich sehe, bereits in ein verzweigtes Beziehungsgefüge eingeordnet, in dem es, von seiner Erscheinung und Verwendung her, eine genaue Stelle besetzt. Weit davon entfernt, den so genannten Salatkopf einfach zu bezeichnen, teile ich ein Wissen von ihm mit, das das vermeintlich unbelastete Zeichen unaufgefordert zur Verfügung stellt.

Der Salatkopf ist also durch das Wort, das ihn bezeichnet, bereits auf eine bestimmte Weise gedeutet. Sollte diese Deutung unerwünscht sein, liesse sich eine andere Metapher finden, doch würde damit nur eine Deutung durch eine andere ersetzt. Man kann den Schmetterling auch Falter, Sommervogel oder, englisch, butterfly nennen. Alle diese Wörter sind einordnende Deutungen des Tiers, aber jedesmal wird es mit etwas anderem in Beziehung gesetzt. Je nachdem wird man die eine oder die andere Zuordnung richtig oder falsch finden, aber alle lassen sich begründen und stehen gleichberechtigt nebeneinander. Wenn es, aus der Luft ins Wasser wechselnd, als falsch gilt, vom Walfisch zu sprechen, weil dieser ein Säugetier ist, so hat man lediglich die Kriterien der Klassifizierung gewechselt. Es gibt zu jeder Zeit anerkannte Ordnungen und Klassifikationen, die als richtig gelten, oft aber eine Möglichkeit unter mehreren sind.

Die jeweils geltende Ordnung ist die Bezugsebene für die Beurteilung der Reden als eigentliche und uneigentliche. Eigentlich ist die Rede, welche der jeweils gültigen Weltordnung entspricht, uneigentlich diejenige, welche von dem jeweils als richtig anerkannten Weltverständnis abweicht. Wenn es als falsch gilt, vom Walfisch zu sprechen, hört diese Bezeichnung auf, eigentlich zu sein, was sie früher einmal war, und wird zur Metapher. Der Wal ist kein Fisch, aber er ist aufgrund seiner Form und seiner Lebensweise im Wasser wie ein Fisch. Die Metapher ordnet die Welt um. Sie setzt den geltenden Zusammenhängen zwischen den Dingen neue Beziehungen entgegen, die befremdlich sein können, aber nicht falsch sein müssen, sondern dazu anregen, die Kriterien, nach denen man die Welt ordnet, auf ihre Tragweite hin zu befragen.

Dadurch, dass die Metapher der Selbstverständlichkeit der gedeuteten Welt gegenüber andere Möglichkeiten, die Dinge zu ordnen, zugänglich macht und zu erwägen gibt, hat sie einen Erkenntniswert. Sie leistet etwas, das dem eigentlichen Wort abgeht und nicht erhalten bleibt, wenn sie in dieses übersetzt wird. Die Metapher liefert eine Erkenntnis des in ihr Gemeinten, die nur in ihr und durch sie zustande kommt. Damit wird es aber schwierig, die Grenzlinie zwischen dem Eigentlichen und dem Uneigentlichen zu ziehen. Nicht nur trifft oder erschliesst die uneigentliche metaphorische Rede vorher unbeachtete Züge der Sache und muss in dem Masse, als sie dies tut, als eigentliche gelten, sondern gerade diese Züge verpasst die eigentliche auf diese Sache bezogene Rede, deren Verlässlichkeit dadurch eine Einbusse erleidet, und die nicht länger als der Königsweg zur Sache gelten kann. Die Eigentlichkeit des Uneigentlichen zieht die Verunsicherung des vermeintlich Eigentlichen nach sich. Die Unterscheidung zwischen eigentlich und uneigentlich, und damit das Fundament der Rhetorik, beginnt zu wanken. Der feste Grund einer bekannten und verstandenen Welt, auf die sich die Einteilung der Reden in eigentliche und uneigentliche beruft, ist selber eine sprachliche Setzung, deren Fundierung, also Eigentlichkeit, unsicher ist, weil sie nicht diesseits und vorgeordnet der Unterscheidung geschieht, die sie zu begründen hätte.

Jede Metapher, die einen Erkenntniswert hat, ist unübersetzbar. Die restlos übersetzbare Metapher ist überflüssig: Sprachluxus, blosse Illustration, Rhetorik in dem abwertenden Sinn, den der zu selbstsichere Glaube, verstanden zu haben, hat aufkommen lassen.

Von der metaphorischen Umdeutung, die vertraute Zusammenhänge in Frage stellt, wäre zu erwarten, dass sie verunsichernd wirkt und deshalb nicht ohne weiteres als angenehm erfahren wird. Gerade dies ist aber im allgemeinen der Fall. Die Metapher gehört zum Ornatus. Sie verziert die Rede. Der Schmuck ist ungefährlich: man kann ihn als eine Ordnung sehen, die über eine andere gelegt wird, aber ohne sie zu gefährden, eher um sie zu ergänzen und stattlicher erscheinen zu lassen. Ein Verhältnis dieser Art ist der Metapher nicht fremd. Sie ersetzt nicht eine Ordnung durch eine andere. Würde die Ebene der jeweils geltenden Eigentlichkeit ganz ausgeschaltet, ginge auch die Metaphorizität der Metapher verloren., die gerade als die Beziehung zu einer Eigentlichkeit bestimmt ist, von der sie abweicht. Die Metapher geht immer von einer zugrundegelegten Deutung der Sache aus, von der sie sich nur durch den Vergleich entfernt, der verlangt, dass die als bekannt angenommene Sache ebenso präsent ist wie das, womit sie verglichen wird. Die Metapher, solange sie eine solche ist, beansprucht keine Eigentlichkeit für das, womit sie etwas vergleicht. Deshalb ist sie auch keine wirkliche Bedrohung für die bestehende Ordnung.

Bevor man sich dabei beruhigt, sollte man aber bedenken, dass die Metapher nicht einfach ein Vergleich ist. Das Auffallende an ihrer Struktur wird aus dem Vergleich mit dem Vergleich sogleich deutlich. Dieser verbindet das in ihm Verglichene, indem er das eine wie das andere sein lässt. Die Metapher geht weiter, indem sie die Trennung der Vergleichspole, und damit deren Selbständigkeit, aufhebt und das eine mit dem anderen identifiziert. Wenn Hölderlin in Mnemosyne schreibt: "...und es blühet / an Dächern der Rauch", so erfährt er den Rauch als blühenden und begnügt sich nicht damit, eine Ähnlichkeit des Rauchs mit einer Blume festzustellen. Die Identifikationsstruktur der Metapher missachtet die Trennung des Verglichenen, obwohl sie nur dank dieser Unterscheidung, über die sie sich als Sprachform hinwegsetzt, eine Metapher ist. Die Metapher ist sprachlich so gebaut, dass sie der Vergleichsstruktur, die ihr zugrunde ligt, widerspricht: der Vergleich wird zur Verwandlung. Die Mitteilung der Metapher ist deshalb in sich gespannt und komplex: sie vergleicht etwas mit etwas anderem, Ähnlichen, und identifiziert es gleichzeitig damit. Die beiden Komponenten der Wirkung der Metapher können verschieden stark zur Geltung kommen. Die in der sprachlichen Form angelegte Tendenz zur Identifikation führt, je mehr sie überhand nimmt, umso näher an das Vergessen der Metapher als solcher heran. Diese geht verloren, wenn der Vergleich zugunsten der Identifikation ganz unterdrückt wird.

Es stehen jetzt zwei Möglichkeiten im Blick, die Metapher abzubauen und dadurch die in ihr hergestellte Beziehung als ihre unersetzliche Leistung zu verlieren. Entweder reduziert man sie auf ihr eigentlich Gemeintes, das heisst man übersetzt sie, oder man nimmt sie wörtlich und verfällt damit der Illusion, das Uneigentliche, nur sprachlich Gesetzte für das Eigentliche zu halten. In Umkehrung der Übersetzung der Metapher, die das Metaphorische zugunsten des Eigentlichen abbaut, verliert sich in der Identifikation das Eigentliche in dem, womit es verglichen wird.

Nun lädt die Metapher zwar durch ihre sprachliche Struktur dazu ein, wörtlich genommen zu werden, aber sie setzt dieser Versuchung die Erschliessbarkeit ihres Gemeinten aus dem Zusammenhang, in dem sie entsteht und steht, entgegen. Solange die beiden einander entgegenlaufenden Tendenzen zur Wörtlichkeit - die Übersetzung als Rückkehr zum Eigentlichen und die Identifikation als der Drang, an das Uneigentliche zu glauben - einander die Waage halten, bleibt die Metaphorizität erhalten. Es ist nie zweifelhaft, dass die Blumen auf den Dächern bei Hölderlin Rauchblumen sind. Wenn aber die Metapher in der einen oder andern Richtung auf Wörtlichkeit reduziert wird, entfällt die Vergleichsfunktion. Man könnte nun daraus den Schluss ziehen wollen, die Metapher sei eine ungeeignete Redeweise, und der Vergleich sei vorzuziehen, weil das wie die Identifikation nicht zulasse. Aber offenbar gehört die Möglichkeit, wörtlich genommen zu werden, zur Metapher und daher auch zu ihrem angemessenen Verständnis. Das Wörtlichnehmen ist nicht einfach ein Versagen dessen, der die Metapher vernimmt, sondern gehört bereits zu ihrer Entstehung. Rousseau erklärt die Figürlichkeit der ersten Sprache dadurch, dass die Angst vor dem, was er sieht, dem Redenden das Wahrgenommene entstellt und er es mit einem Wort ausdrückt, das zur Metapher seines Gefühlszustands wird, den er in das projiziert, was er sieht. Erst wenn der Verstand die Beziehung zum Wahrgenommenen korrigiert, wird die Metapher als solche erkannt und kann durch das eigentliche Wort für das zu Bezeichnende ersetzt werden. Ein entsprechender Vorgang kann jederzeit beim Reden stattfinden. Der Metapher liegt dann nicht ein Vergleich, sondern eine emotional verformte Wahrnehmung zugrunde. Die Metaphorizität der Metapher bleibt bei ihrer Entstehung unerkannt und ist eine nachträgliche Entdeckung, die sich einer rationalen Analyse verdankt.

Die Sprachform der Metapher, in der der Drang, sie wörtlich zu nehmen, wirksam bleibt, ist die Spur der emotional aufgeladenen Beziehung zu ihrem Gemeinten, die zu ihrer Bildung geführt hat. Dass die Metapher die Emotionalität ihrer Entstehung aufbewahrt und mitzuteilen vermag, macht sie in dem Masse, als man diesem Gefühl einen Wert zubilligt, unübersetzbar, denn diese Wirkung geht offensichtlich verloren, wenn man die Metapher auf die eigentliche Bezeichnung ihres Gemeinten zurückführt. Die Metapher hat also nicht nur einen Erkenntniswert, der an die in ihr hergestellte Beziehung als Verschiebung der Ordnung des Vorverstandenen gebunden ist, sie hat auch einen Gefühlswert, der an die sprachliche Form gebunden ist, in der diese Beziehung ausgedrückt wird. Beides zusammen macht das Eigentliche und somit Unübersetzbare der Metapher aus und verschwindet mit der Übersetzung in ihr vermeintlich einziges eigentlich Gemeintes.


2
Die dichterische Metapher ist nie wörtlich, aber immer ernst gemeint. Ihre eigentliche Mitteilung besteht in der Beziehung, als die sie sich konstituiert, und deren Gespanntheit nur solange erhalten bleibt, als nicht die eine Seite zugunsten der anderen unterdrückt wird. Von einer dichterischen Metapher zu sprechen rechtfertigt sich nicht durch irgendwelche besonderen Züge, die sie auszeichnen würden, sondern nur dadurch, dass im Reden der Dichter die strukturellen und emotionalen Aspekte der Metapher mit hoher Intensität und ohne vereinfachende Ungenauigkeit zur Geltung gebracht werden. Das bedeutet, dass die Übersetzbarkeit gewahrt bleibt, dass aber das Unübersetzbare oder, wenn man so will, Katachrestische an ihr besonders ausgeprägt ist und sie über alle Erklärungen hinweg in ihrer unreduzierbaren sprachlichen Besonderheit wirksam erhält.

In Mnemosyne spricht Hölderlin vom Rauch, der aus den Kaminen steigt:

Wie aber Liebes? Sonnenschein
Am Boden sehen wir und trockenen Staub
Und heimatlich die Schatten der Wälder und es blühet
An Dächern der Rauch, bei alter Krone
Der Türme, friedsam; ...

Obwohl das alltägliche Bild, das hier nahegebracht wird, ohne weiteres aus der Metapher zu erschliessen ist, kann man auf den vielleicht befremdlichen Vergleich des Rauchs mit einer Blume nicht verzichten, ohne dass die darin zu Anschauung gelangte Erfahrung des Rauchs verloren geht. Hölderlin sieht den Rauch nicht aufsteigen, sondern so an den Dächern blühen, wie die Blume an der Pflanze blüht, der sie entwächst. Es kommt hier darauf an, dass Rauch und Haus organisch miteinander verwachsen sind, und, allgemeiner ausgedrückt, dass die Bestandteile des entworfenen Bilds so eng miteinander verbunden sind, dass ein völlig geschlossenes Gefüge entsteht. Dazu gehört, dass das Wort Krone, das die Türme der Stadtmauer meint, nebenbei auch auf die Blume und damit auf den Rauch bezogen werden kann, und dass das Wort heimatlich, das vordergründig den Schatten des Waldes zugeordnet ist, anderswo bei Hölderlin in Verbindung mit dem Blühen vorkommt, so in der Elegie Heimkunft: "Heimzugehn, wo bekannt blühende Wege mir sind" (V. 68). Gleichartige Bezüge zwischen anderen Wörtern, die in Mnemosyne neben einander vorkommen, fehlen nicht. In Abendphantasie sitzt der Pflüger im Schatten, während der Herd raucht, und "Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf". In Hälfte des Lebens liest man: "Weh mir, wo nehm' ich, wenn / Es Winter ist, die Blumen, und wo / Den Sonnenschein, / Und Schatten der Erde?", was man als den Verlust des Heimatlichen verstehen kann.

Wenige Jahre bevor Hölderlin den Rauch an den Dächern blühen lässt, schreibt Wordsworth sein Gedicht über einen nach längerer Zeit wiederholten Besuch in Tintern Abbey. Seine Art, den Rauch, der von den umliegenden Bauernhäusern aufsteigt, wahrzunehmen, ist anders:
Once again I see
[...]
these pastoral farms,
Green to the very door; and wreaths of smoke
Sent up, in silence, from among the trees!
With some uncertain notice, as might seem
Of vagrant dwellers in the houseless woods,
Or some Hermit's cave, where by his fire
The Hermit sits alone.

Anstatt den Rauch an das Haus zu binden, möchte ihn Wordsworth davon lösen. Die dichte Vegetation, hinter der die Häuser verschwinden, macht die Herkunft des Rauchs unsicher, der zum ungewissen Zeichen wird, das auch von Zigeunern im Wald oder vom Feuer eines Eremiten herstammen könnte. Dass sich der Rauch nirgends mit Sicherheit festmachen lässt und verschieden gedeutet werden kann, ist aber gerade das, was ihn für die Einbildungskraft so wertvoll macht. Er gleicht in dieser Hinsicht der Stimme des Kuckucks, den man oft hört, aber kaum je sieht: "O Cuckoo! shall I call thee Bird, / Or but a wandering Voice?" Schall und Rauch können beide metaphorisch auf die dichterische Rede hin gelesen werden, die vielfach beziehbar zwischen Herkunft und Bedeutung schwebt.

Man kann den Rauch in Wordsworths Gedicht metaphorisch auslegen, ohne dass dies für das Verständnis der zitierten Stelle unerlässlich ist. Auf jeden Fall ist deutlich geworden, dass die beiden Dichter die gleiche Erscheinung auf sehr verschiedene und in gewisser Hinsicht entgegengesetzte Weise wahrnehmen. Beide entwerfen ein alltägliches, leicht vorstellbares Bild, wobei der Rauch bei beiden in eine sprachliche Konstellation eintritt, die mit ihrer Auffassung der dichterischen Rede zu tun hat. Indem Hölderlin den Rauch blühen lässt, bindet er ihn in den Zusammenhang einer Wortgruppe, die für ihn das Heimatliche aufruft, und zudem ist das Verwachsensein der Rauchblume mit dem Dach eine Metapher, wenn man sie dafür nehmen will, für das dichte Gefüge der Gedichtstelle selbst, in der mehrere der in Frage kommenden Wörter zusammenwachsen, ohne im Mitteilungszusammenhang oder syntaktisch auffällig aufeinander bezogen zu sein. Bei Wordsworth wird die Vieldeutigkeit des von seiner Verursachung gelösten Rauchs zur Metapher der mehrfach auslegbaren Gedichtrede. Die Abgelöstheit als solche ist wiederum eingebunden in eine Poetik der Einbildungskraft, aus der sich die imaginäre Welt der Poesie entfaltet. Der Dichter hat, wie Wordsworth sagt, "acquired a greater readiness and power in expressing what he thinks and feels, and especially those thoughts and feelings which, by his own choice, or from the structure of his own mind, arise in him without immediate external excitement".

Bei beiden Dichtern ist die Erscheinung des von den Dächern aufsteigenden Rauchs in verschiedene, je eigene Zusammenhänge einbezogen. Man kann bei jedem Dichter - bei diesen beiden so gut wie bei allen anderen - von seiner eigenen poetischen Welt sprechen. Diese ist eine gegenüber der gewohnten gedeuteten Welt, in der die Dinge immer schon verstanden sind, verschobene, metaphorische Ordnung, in der neue Beziehungen hergestellt werden und dadurch neuer Sinn gewonnen wird. Hölderlins Metapher vom blühenden Rauch ist insofern katachrestisch, als nur durch sie die Verbindung zwischen dem Rauch und einer Reihe von anderen Dingen gestiftet wird, welche als die eigentliche Bedeutung der Metapher zu gelten hat und mit ihr verschwände. Man versteht die Metapher nicht, wenn man feststellt, dass der Rauch mit einer Blume verglichen wird, sondern erst, wenn die Beziehung zwischen Rauch und Blume als solche bedeutend wird.

Die Beziehung, die in der Metapher vom blühenden Rauch hergestellt wird, erschliesst ihre Bedeutung nicht, wenn sie aufgelöst wird, sondern wenn man sie als die eigentliche, unersetzliche Leistung der Metapher nimmt, die durch sie unübersetzbar wird. Alle dichterischen Metaphern haben diese katachrestische Dimension, dank welcher sie an der poetischen Welt des Dichters mitbauen, von der in der letzten Strophe von Wordsworths Gedicht an den Kuckuck die Rede ist:

O blessèd Bird! the earth we pace
Again appears to be
An unsubstantial, faery place;
That is fit home for Thee!

Eine andere Darstellung dieses poetischen Reichs wäre auf der île des locutions auffindbar, die Flaubert sich in einem nicht ausgeführten Entwurf ausdachte, und auf der alle Redefiguren unverzüglich in Wirklichkeit umgesetzt werden. Die Welt der ernstgenommenen Metaphern muss eine Insel oder ein Märchenland sein, weil sie den Bedeutungen der scheinbaren Wirklichkeit des Festlands den sicheren Boden entzieht und deren Ordnung zu einer anderen verschiebt, die nicht verlässlicher ist, aber ohne ideologische Blindheit vertreten wird, weil die dichterische Metapher dadurch, dass sie ernstgenommen wird, nicht unterdrückt, sondern im Gegenteil gerade als solche, in ihrer eigentlich gemeinten Uneigentlichkeit, zur Geltung gebracht wird.


3
Ist die Unübersetzbarkeit der Metapher, wie ich sie hier skizziert habe, mit den Schwierigkeiten vergleichbar, die sich bei der zwischensprachlichen Übersetzung, vor allem dichterischer Texte, einstellen? In beiden Fällen geht etwas verloren, aber während bei der Reduktion der Metapher auf die wörtlich zu nehmende eigentliche Rede der Verlust endgültig ist, gibt es bei der Übersetzung von Texten die Möglichkeit, Unübersetzbares durch etwas gleichwertiges anderes in der Zielsprache zu ersetzen und dadurch zu kompensieren. Die Übersetzung bezieht sich dann - nebenbei und ohne es auszuführen bemerkt - metaphorisch auf das Original, mit allen Folgen, die sich aus einer so gearteten Beziehung ergeben und die konventionellen Vorstellungen von Übersetzung in Bewegung bringen können.

Die Übersetzung eines Texts hat ein ganz anderes Ziel als der Abbau einer Metapher. Es geht darum, ihn in einer anderen Sprache wiederherzustellen, aber nicht nur seinen semantischen Gehalt mit anderen Worten mitzuteilen, sondern ihn als das, was er ist, neu aufleben zu lassen. Die Übersetzung eines Gedichts soll wieder ein Gedicht sein. Der Übersetzer findet sich mit den Verlusten, die seine Tätigkeit dem Text zufügt, nicht ab. Es ist im Gegenteil gerade das Unübersetzbare, das sich seiner Bemühung verwehrt, das er, in seiner Sprache und in seinem Gedicht, auf andere Weise wieder zur Wirkung zu bringen versucht.

Die Reduktion der Metapher auf das Wörtliche, bei der das Unübersetzbare ersatzlos verloren geht, ist dem, was von der Übersetzung zu erhoffen ist, entgegengesetzt. Auch ist der Abbau von Metaphern nicht ein Bedürfnis des Übersetzers, sondern vielmehr des Erklärers, den der Wunsch, vom Uneigentlichen zum Eigentlichen zu gelangen, antreibt. Seine Bemühung ist uninteressant, solange sie sich darauf beschränkt, Figürliches in Wörtliches übersetzen zu wollen. Es kann aber sein, dass er das Uneigentliche der Metapher als ihr Eigentliches erkennt. Dann wird er versuchen - wie es hier geschehen ist - die Eigentlichkeit dieses Uneigentlichen zu erklären. Dazu muss er es übersetzen, wozu es oft mühseliger und aufwendiger Umschreibungen und Beschreibungen bedarf. Dabei kann es bis zu einem gewissen Grad gelingen zu sagen, was in der Metapher geschieht, und welche Umschichtungen gewohnter Zusammenhänge die metaphorische Beziehung bewirkt, aber diese dem rationalen Verstehen dienende Darstellung geschieht notwendig so, dass das, was die Metapher blitzartig setzt, zergliedert und ins Nacheinander ausgefaltet werden muss. Was dabei verloren geht, ist die geballte Dichte, die sie nicht erst gegenüber ihrer Erklärung, sondern auch gegenüber dem durch das wie regierten Vergleich auszeichnet.

Die ins Augenblickliche geballte Identifikation in der metaphorischen Beziehung erinnert an das Wortspiel, mit dem eine strukturelle Ähnlichkeit die Metapher verbindet, wobei das eine als eine Art Umkehrung der anderen aufgefasst werden kann. Das Wortspiel ist in einer begünstigenden Wortkonstellation die blitzartige Auswertung einer Homophonie, die dem Text zwei simultane Bedeutungen gibt, die in dem einen Wortlaut zusammenfallen, obwohl sie zugleich geschieden sind und zwar miteinander, aber jede für sich wahrgenommen werden. Die Metapher leistet etwas Ähnliches, aber nicht auf der Ebene der Wortkörper, sondern auf der Ebene der Bedeutungen. Anstatt vom Wort geht sie von der Sache aus und identifiziert zwei Dinge, ohne sie ununterscheidbar zu machen, indem sie das Wort für das eine für das andere einsetzt.Sie ist kein Wortspiel, aber ein Sachspiel. Wortspiel und Metapher sind unübersetzbar in dem Sinn, dass die Gleichzeitigkeit der in der Rede in eins zusammengedrängten Wörter, beziehungsweise Sachen in der erklärenden Entfaltung verloren geht. Die Wirkung beider Sprachfiguren ist an die Plötzlichkeit der in ihnen hergestellten Beziehung gebunden. Dass ein Wortspiel in der Erklärung seine Wirkkung einbüsst, ist ohne weiteres einsehbar. Für die Metapher ergibt der Vergleich mit dem Vergleich, dass die Identifikation des Verglichenen im sprachlichen Zusammenfall für ihre Wirkung entscheidend ist. Vielleicht sollte man die Metapher, sich an Rousseau erinnernd, nicht als einen bis zur Identifikation vorangetriebenen Vergleich sehen, sondern als plötzlichen Einfall einer Zusammengehörigkeit, der, wenn überhaupt, nur nachträglich zum Vergleich zergliedert wird.

Wenn das Wortspiel eine Metapher der Metapher und die Metapher eine Metapher des Wortspiels ist, so bringt das alles ins Spiel, was ich zur Metapher und ihrer Übersetzung vorgebracht habe. Auch dies, dass der hier versuchte Vergleich zwischen Metapher und Wortspiel die nachträgliche Analyse eines blitzartigen Einfalls ist, in welchem eine metaphorische Beziehung zwischen beiden aufschien, die jeder ausbreitenden Erklärung vorgeordnet war. Die Metapher - einfallend, überfällt. Sie ist nicht gemacht, sondern immer einzuholen.


Aus: Zwischen den Zeilen Heft 23



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