Peter Waterhouse Den Anfang nicht vergehen lassen Gespräch mit dem Lyriker Peter Waterhouse von Ulrich Kurtz und Brigitte Espenlaub Zu dem «Ersten Eisenkappeler Gespräch», wie es Peter Waterhouse anschließend mit Lust und Erleichterung nennt, treffen wir uns am 14. August in einem Gasthof wenige Kilometer vor der slowenischen Grenze, in Südkärnten. Oben auf dem Bergsattel beginnt Slowenien. Hinter dem Haus fließen zwei Gebirgsbäche ineinander, sie treffen sich auf dem Weg nach Eisenkappel, das hier auch Zelezna Kapla heißt. In diesem Teil Kärntens wird Slowenisch und Deutsch gesprochen. Peter Waterhouse, geboren 1956 in Berlin, Sohn eines englischen Offiziers und einer deutsch-tschechischen Österreicherin, wuchs mit der englischen und der deutschen Sprache auf. Zu seiner Biographie gehören Orte wie Berlin, Bonn, Manchester, die Südspitze der Malaien-Halbinseln, Rom, Los Angeles und seit vielen Jahren nun Wien. Befragt nach den Anfängen des Schreibens, erinnert er sich an Verfolgungsjagden mit dumpfen Schußgeräuschen in einer Wäschefabrik («Erweiterung des häuslichen Wäscheschrankes»), an Kriminalgeschichten, die er als Sieben- oder Achtjähriger seiner Mutter vorlas, gefördert, weil sie so gerne zuhörte. Später als sechzehnjähriger Gymnasiast in Niedersachsen gründete er mit Gleichgesinnten eine Schülerzeitschrift. «Der Name war Spunk. Also nicht Spuck, sondern Spunk. Das hatte einer von uns in einem englischen Wörterbuch gefunden. Ein Wort, das keiner kennt. Ein Rätselwort, wo man aber hinweisen kann, es steht im Wörterbuch.» Sein Beitrag dazu waren Buchbesprechungen. Von den besprochenen Autoren hat sich der Japaner Yasushi Inoue, dessen Roman «Das Jagdgewehr» damals erschienen war, als beständig erwiesen. Die kleine Einheit von Wort oder Satz scheint ihn schon als Schüler gefangengenommen zu haben. Auf die Frage nach Anregungen aus der Schulzeit, nennt er den für ihn «sehr starken Impuls von einem Theologen, der eine Art Bibellesung anbot. Das war keine größere Interpretation». Man verglich die Übersetzungen mehrerer Sprachen und den Urtext. «Es war eine Anregung, wie man Einzelsätze lesen kann.» K: Hat Dich während Deines Germanistik-Studiums interessiert, mit Texten umzugehen oder mit Wörtern? W: Ich glaub, es war ein Interesse an Wörtern. Das Problem, das sich bei der Germanistik eingestellt hat, war, daß es weniger um Wörter ging, als um ganze Dinge. Ganze Romane, oder noch schlimmer, ganze Epochen. Oder das Fürchterlichste: die ganze Literaturgeschichte. Und so bin ich eigentlich mit dem Studium nie auf einen grünen Zweig gekommen. Ich kann mich an ein Rigorosum bei einem sehr schwierigen Prüfer erinnern, mit dem ich sehr große Spannungen hatte und zu dem ich sehr gut vorbereitet sein mußte. Es ging um die englische Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Also das größte an Makroskopie, was man sich nur vorstellen kann. Ich hab mich in den letzten Tagen vor der Prüfung so eingestellt, daß ich einen Zettel bei mir hatte mit fünf Wörtern. Und wenn er von den fünf Wörtern eines angesprochen hätte, dann hätte ich von einem Wort aus die ganze Literaturgeschichte entwickeln wollen. Also Essenzen der ganzen Beschäftigung. Aber natürlich hat er keines von diesen fünf Wörtern angesprochen. Aber das zeigt, daß ich vom einzelnen Wort festgehalten war und daß das nie gefragt war. Das einzelne Wort meine ich nicht im linguistischen Sinne, sondern in einem vielfältigen Sinne. K: Ist denn der Umgang mit dem einzelnen Wort bei der Dissertation mit Paul Celan zum Tragen gekommen? W: Ja, das war ein ideales Feld für mich, weil das Gedichte waren, die immer knapper geschrieben wurden, immer kleiner geschrieben wurden im Laufe seiner Entwicklung. Da war die Möglichkeit gegeben, mit einem Gedicht, das vielleicht aus zwanzig Wörtern bestand, eine gedankliche Arbeit zu liefern. Also ganz genau das Gegenteil der Frage: Was ist das Barock? So konnte man bei Celan fragen: Warum ist die erste Zeile eines Gedichtes so kurz und lautet nur «Stimmen ins Grün» und in der nächsten Zeile geht es dann weiter: «der Wasserfläche geritzt» - Stimmen ins Grün, das hat mich lange beschäftigt. Und es gibt gar keine große Antwort darauf. Es ist daher auch nicht so relevant wie literaturwissenschaftliche Fragen nach Epochen. Die Situation bestand aus Einzelanalysen von Gedichten oder Analysen von Zeilen... Stimmen hören, das Faszinosum für mich. Es schien mir das Zentrum des Literarischen zu sein. Stimmen hören können. Und im Mainstream des Studiums war das nicht von Bedeutung. K: Das eigene Schreiben hat erst danach angefangen? W: Also, das eigene Schreiben ist von Celan z.B. nicht angeregt worden. Es war ein viel handgreiflicherer Anlaß, nämlich die Rückkehr nach Wien. Das Schreiben begann heftig drei oder vier Wochen nach der Rückkehr aus Amerika. Noch genauer könnte man sagen, während des Rückflugs. Nach einem Jahr in Amerika löste dieser Rückflug nach Wien eine Krise aus zwischen zwei Sprachen, zwischen der englischsprachigen oder vielsprachigen Umgebung in Kalifornien und dem österreichischem Idiom. Da ging es sofort los mit Gedichten. Während des Flugs hab ich mir schon gedacht, es ist notwendig. In Wien begann es sofort mit den allerersten Gedichten von Menz. «Aus allen erdenkbaren Gründen musizieren deine Hände.» Das war die erste Zeile. K: Und Besitzlosigkeit Verzögerung Schweigen Anarchie ist vorher entstanden? W: Das entstand zum Teil vor Amerika, z.T. in Amerika, z.T. danach. Es war da nichts von solcher Wucht angetrieben wie die Gedichte von Menz. E: Du hast Zanzotto, Marin, Hopkins und Hamburger übersetzt. Was hat Dich zu diesen Autoren geführt oder was hat Dich besonders beschäftigt? Welche Bedeutung haben sie für Dich? W: Das sind Autoren, auf die ich in ganz verschiedenen Phasen gestoßen bin. Daher haben sie eine ganz unterschiedliche Bedeutung. E: Welchen Autor hast Du zuerst übersetzt? W: Zanzotto. E: Was hat Dich dazu gebracht? W: Ja, das ist schwer zu sagen, weil ich da ja einem Autor gegenüberstand, dessen Sprache ich nicht sprechen, im Grunde auch nicht lesen konnte. Da war ja das Übersetzen erst das Mir-selbst-Bekanntmachen des Gegenstandes. Das war vielleicht auch ein Teil des Anreizes, das Erschaffen des Objekts. Also ganz etwas anderes, als wenn ich aus dem Englischen übersetze, wo ich mir ja eine Vorstellung von der Sache machen kann, ohne es mir zu übersetzen. Der zweite Aspekt, der mich bei ihm so beschäftigt hat, und von dem ich abgeleitet hab, daß ich überhaupt übersetzen kann, war der, daß diese Gedichte selber angesiedelt waren in einem Bereich des Nicht-sprechen-Könnens; sie eine Sprache waren, die nicht ganz ausgeführt wird oder teilweise überhaupt im Satz abbricht. Ein Nicht-sprechen-Können auf diesem Gebiet manifestiert Sprachteile oder Sprachsätze, die aus einem Bereich kommen, wo auf der Strecke vieles verloren geht oder versinkt. Das war ein weiterer Aspekt für mich, weil noch etwas Unfertiges am Gegenstand zu erkennen war. E: Bei Dir kommt vieles vor, was die Natur betrifft. Aber doch im Zusammenhang mit Technischem, beispielsweise die Scheinwerfergehäuse der Wagen, die dann die Höhe mittelgroßer Stauden erreichen. Welche Erkenntnis oder welches Bedürfnis liegt dieser Anschauungsweise zugrunde? W: Es ist eher eine sprachliche Anschauung; die zu solch einem Satz kommt wie in jener Beschreibung, daß die Autoscheinwerfer in etwa die gleiche Höhe haben wie die Pflanzen. Und zwar ist das eine Vorstellung von Sprache, daß das wirkliche Sprechen der Sinnanteil hinter der geordneten Syntax ist, daß es da Kombinationen von Sprechen gibt, noch ungekannte, ungeahnte, und daß die Literatur nach diesen anderen Kombinationen sucht. Daher ist das Übersetzen für mich so wichtig, weil es etwas kombiniert, was man nicht kombinieren kann, nämlich verschiedene Sprachsysteme. Im Denken und im Sprechen kommt es zu Erkenntnissen, wenn die Kombinationen anders geschaltet werden, wenn es Kurzschlüsse gibt oder Funkensprünge zwischen verschiedenen Sprachen oder Wörtern, die nicht zusammen gehören. Die Naturdichtung hat ihre eigenen Maße, entwickelt wie sie die Höhe einer Pflanze bemißt; Brombeeren wachsen bis zur Kniehöhe oder bis zur Zaunhöhe. Oder ein Baumstamm hat einen Umfang, so, daß man ihn noch umgreifen kann. Da gibt es bestehende Maße oder bestehende Sprechweisen, die ich keineswegs widerlegen will. Aber der Vorschlag, der an dieser Stelle gemacht wird, ist der, daß man die Sprache der Naturdichtung mit einer anderen Sprache verbindet, als Versuch. Für mich geht nicht daraus hervor, daß man die Natur, die Flora, die Fauna nur noch beschreiben könnte, indem man technische Dinge als Größenmaß oder Muster nimmt. Es ist nur ein Versuch, diese vielleicht homogene Sprache mit einer ungeahnten anderen Kombination noch mal zu erweitern. Ist es möglich, die Höhe einer Blüte über dem Erdboden mit einem Maß anzugeben, das man bisher noch nicht bemerkt hat? Man sieht es einfach, daß manchmal ein technischer Gegenstand neben Naturlebewesen steht. Jeder von uns könnte andeuten, wo ungefähr die Höhe eines Autoscheinwerfers ist. Das heißt, das technische Gerät hat als solches eine Form der Vertrautheit für uns, die man auch ansprechen kann. Es ist auf eine mögliche Kombination hingewiesen wie zwei Dinge, die in gar keine Verbindung miteinander zu treten scheinen, doch im Hintergrund etwas gemeinsam haben. Daher bietet es sich als Verständigungsmaß an. Es ist fast anschaulicher, als wenn man sagt 60 cm. Es hat was Physisches. E: Offenbar bist Du immer darauf aus, Dinge miteinander in Verbindung zu bringen, die diese Verbindung nicht von alleine eingehen. Du beziehst mit ein «Diese andere Seite der Welt» wie eines Deiner Stücke heißt, oder wie in dem Stück «Verloren ohne Rettung» die Unsichtbarkeit. W: Die Unsichtbarkeit, meines Erachtens, die da angesprochen ist, ist die Unsichtbarkeit der Verstorbenen. Es ist ja irgendwie ein Gespräch zwischen einem Toten und einem Lebenden. K: Wie kam es zu diesem ersten Theaterstück von Dir? W: Es ist so schwer, darauf zu antworten, weil es zu einer Festlegung führt. Zum einen Mal hab ich das nicht alleine geschrieben, sondern wir haben das zu zweit gemacht, was ein Versuch war, der eigenen Originalität aus dem Wege zu gehen, um zu schauen, ob man eine neutrale Zwischensprache schreiben kann, die nicht aus dem eigenen alleine schöpft, sondern in einem Gespräch zu entwickeln ist. Das war ein Nebenaspekt. Das Interessanteste war für mich, den Raum zum Klingen zu bringen. Wie dicht kann man den Zusammenhang machen zwischen einem leeren Raum und einem Menschen, der seine Stimme in diesem leeren Raum erhebt. Wie kann man so in diesem leeren Raum sprechen, daß man den Grundton des Raumes antippt? Jedes Zimmer ist ja gestimmt. Ich glaub, das sind sehr subtile Stimmungen, die höchstwahrscheinlich Rückwirkungen haben auf die Art und Weise wie man spricht, aber homöopathisch schwache oder starke Wirkungen, daß sie eben unbemerkt bleiben. Aber der Wunsch war, daß das Sprechen von einzelnen Worten den Raum verändern sollte. Die Arbeitshypothese ganz am Beginn lautete: Es tritt eine Person auf eine leere Bühne, die nur ausgeleuchtet ist und ansonsten karg, ohne Gegenstände. Wie spricht man in einem großen kubischen Körper? Was ändert sich, wenn man zwei Meter zur Seite geht, oder wenn man den Raum abdunkelt. K: Etwas wie Urerfahrung? W: Ich würde nicht Urerfahrung sagen, sondern Empfindung für die Umgebung. Den eigenen Körper nicht als abgetrennt von diesem kubischen Raum zu empfinden. Gibt es ein Medium, das beides verbindet? Ist die Luft irgendwie tragfähig genug, um das Wichtigste für den Körper und für den Raum zu sein? Hat diese Leere des Bühnenraums Rückwirkung auf denjenigen der spielt? Empfindet der sich dann auch leer? Was läßt sich daraus gewinnen, daß der Bühnenraum sich vielleicht als leer, als meditative Leere empfindet? Kann man den umgebenden leeren Raum als eigenes inneres Zentrum erkennen oder bleibt das einfach getrennt? Das war der Anfang zu dem Stück. Eine Arbeitshypothese, die nicht sehr weit trägt. Es entsteht ja kein dramatischer Konflikt. Sondern es geht von einer Frage nach Klang aus. Und so war der erste Satz besonders heikel. Er hat sich dauernd geändert. Zum Schluß blieb es dann bei dem beweglichsten Satz: «Es verändert sich wieder.» K: Gibt es Vorbilder für Theaterstücke? W: Nein, ich seh überhaupt nichts, was in die gleiche Richtung weisen würde. Diese Vorstellung, daß der Raum selber auch ein Schauspieler ist. Daß genug Klänge im leeren Raum sind. Daß der Raum nicht nur gestimmt ist auf d oder b, sondern auch erfüllt ist mit Mikroklängen. Das geht dann weiter in einem nicht geschriebenen Stück - nämlich in der einen Wiener Vorlesung, wo ein Theaterraum vorgeschlagen wird. Dieser Theaterbau ist eine Erweiterung des leeren Kubus. Insofern als man diesen Theaterkorpus auch aufmachen kann. Er hat verschiebbare Wände, und man kann Klänge aus der Umgebung hereinlassen, so wie Windgeräusche, Schrittgeräusche, Stadtgeräusche, Autogeräusche, Motoren, Hupen usw. Die könnte man in den Raum hereinlassen, so wie hier in den Raum das Fließgeräusch hereinkommt. Ich glaube, das virtuelle Theater ist eine Tradition, die fast verschüttet ist und die heute fast keinen Platz im Theaterbetrieb hat. An Versuchen, die vielleicht ein wenig in die gleiche Richtung gehen, würde ich Artaud nennen. Er ist nicht so weit entfernt, und zwar in seiner Auffassung von dem Schauspieler als nicht identischer Einheit. Es gibt Sprechaufnahmen von Artaud auf Schallplatte, wo er einen relativ schlüssigen oder homogenen Text spricht in einer Art und Weise, daß man verführt ist zu glauben, daß da viele Personen sprechen. Er kann seine Stimme so modulieren, von allerschrillst bis allerlautest oder allerleisest oder ganz tief in alle Varianten. Und das ergibt keine klassische Rolle. Ich glaub, das ist eine ähnliche Richtung, vielleicht in viel lauterer Art und Weise oder in körperlich orientierter, aber in der Auflösung des Einheitsgefühls verwandt. Dazu gehört das virtuelle Theater bei Valery. Er hat ein Faust-Stück geschrieben, von dem bis heute niemand weiß, wie das inszenierbar ist, ob überhaupt, wie die Personen aufzufassen sind, wo ihre Grenzen sind, wo eine Person in die andere übergeht und in welchem Raum es sich manifestiert. Dieses unsichere Theater, in dem man die Rolle und den Namen und die Einheit von Ort, Zeit und Raum beiseite lassen muß. Ich seh nicht, wo das zur Zeit einen Platz hat. Eine Spielauffassung die weg vom Rollenverständnis führt, ist das «téâtre du Soleil» von Mnouchkine. K: Die sinnliche Dimension eines Buches kann auch ein Vorstoß erkenntnistheoretischer Art sein. Wieweit sind Deine Theaterstücke Erkenntnisversuche, Erfahrungsversuche. Ich dachte an den Anfang von «in herbstlicher Stille...» und «Das unvereinbarte Spiel; wie das immer weitere Schritte hinaussetzende Kind». Erste Erfahrung, ein Tasten. W: Ja, das ist ein Erkenntnismoment. Ich weiß nur nicht, Erkenntnis welcher Kategorie. Oder was aus dieser Erkenntnis dann abzuleiten wäre. Vielleicht ist daraus am ehesten abzuleiten, was die Sprache im eigentlichsten Sinne kann. Daß die sprachliche Erkenntnis mehr im Klang liegt, als in der Semantik. Die Erkenntnis liegt in etwas Hörbarem. Ich kann es nicht abstrakt machen. Es ist das Hören selber eine Form von Erkenntnis. Ich glaube, wenn man einen Bach rauschen hört, ist das eine Form der Erkenntnis. Die Theorie von einer Sache ist ja auch die Anschauung der Sache und nicht Können, Abstrahieren. Also, in der Tiefe ist, glaube ich, musikalische Erkenntnis, die ganze Zeit. Und im Vordergrund spielen sich andere Prozesse ab, die wichtiger genommen werden. Man geht der Chronologie oder dem Sinn, der Mitteilung, der Information nach. Auf dem Hintergrund läuft aber eine musikalische Welt, und das heißt: ein anderes Zeitmaß. Dieses Zeitmaß zu spüren ist Erkenntnis, glaube ich. Und immer wieder in dieses Zeitmaß hinein zu kommen, ist eine Worin der Erkenntnis. Und wenn man pendeln kann zwischen dem chronologischen und dem musischen Zeitmaß ist das umsomehr Erkenntnis. Aber vor allem ist der musische Raum für sich eine Erkenntnissache, glaube ich. Das ist meines Erachtens eines der bedeutungsvollsten Ereignisse in der Dichtung von Inger Christensen, daß man einen musikalischen Raum im Hintergrund spürt, der nicht chronologisch abläuft. Das ist ja auch sehr einfach gebaut bei ihr, durch Wiederholung von Textteilen oder Wiederholung von Zeilen bringt sie fortwährend die Zeit zum stehen. Zum Stillstand. Was die Musik macht; das macht sie ebenfalls im Hintergrund. Ihre Gedichte berühren sich mit der Musik genau in diesem Element, daß man durch Wiederholung einer früheren Stelle zeitlich zurückrutscht, oder überhaupt ständig den Anfang präsent hält. Wenn ich das ganz kompliziert sagen will; die Dichtung macht wahrscheinlich fortwährend, daß sie den Anfangszeitpunkt festhält und den nicht vergehen läßt. Das kann man aber auch noch als Antwort auf die Frage nach Erkenntnis ansehen. Das Festhalten des Anfangs, das fortwährende Festhalten des Anfangs ist eine Form der Erkenntnis. Für Quereinsteiger: Zur Hauptseite von Urs Engeler Editor |