Wenn zu kommen mein Wille war, wie könnte ich je wieder gehen?





Unter Berücksichtigung von: Wenn mein Kommen tatsächlich mein Wunsch war, kann ich dann bleiben und wohin dann sonst wäre zu gehen? Unter Vermeidung von Berücksichtigung von: Wie könnte ich gehen, wenn ich immer nur komme? Unter Berücksichtigung der der Hauptfrage immanenten Nebenfrage: Darf man fragen, hat ein Junge Grund zu klagen, wenn sie immer wieder von vorn beginnt?

Die Sphinx von Pontresina antwortet:

Kommen ist eine Bewegung. Gehen auch. Bleiben ist eine Bewegung. Bleiben am Ort. Nichts spricht dagegen, immer da zu bleiben, wo man kommen kann. Wenn es also tatsächlich mein Wunsch war zu kommen, und kraft meines Willens mir möglich, empfiehlt sich, einige Regeln zu beachten beim Bleiben, so dass ich nie zu Ende bleibe, etwas ausbleibe, damit es immer was zu kommen gibt.

Achte auf die Details. Trinke nie das Glas bis auf den letzten Tropfen. Plünder nie den Kühlschrank bis auf die letzte Möhre. Lecke nie das Marmeladenglas bis auf den Grund. Habe immer zwei Unterhosen in Petto. Verstecke etwas Geld ungleichmässig in deinen Regalen, Taschen und Kleidern. Wenn du Löcher in den Taschen hast, vermeide das Stopfen. Wenn du ein Loch stopfen musst und es auch trotz der Kraft deines Willens nicht vermeiden kannst, dann reisse für jedes gestopfte Loch zwei neue Löcher in deinen Stoff. Grabe auch eins in die Erde. Wenn du einen Wurm an die Angel hängst, sprich vorher mit ihm, dann hau ihn entzwei. Verbrauche niemals die letzte Hälfte deines Wurms. Wirf sie zurück. Wirf den letzten Fisch zurück, den du fängst, auch wenn es dein einziger ist.

Dein Taschenmesser sei stets in deinen Taschen und zwar in einigen, auch dort, wo du nicht bist, im Schrank und in der Kommode. Vermeide allzugrosse Ordnung. Lass dich von deinen Dingen überraschen. Begrüsse jede Art von Überfluss. Auf all deinen Wegen mögen Bleistifte liegen. Auch sei kein Mangel an Spitzern. Habe mindestens vier Zahnpastatuben in Gebrauch. Wenn du ein Lied singst, sing noch ein Lied. Wenn du Fleisch isst, beiss dich noch am selben Tag. Schau nicht zurück auf die Wunde. Du kannst auch eine Freundin beissen oder einen Freund. Wenn du ein Kind beisst, dann beiss auch ein Tier. Wenn du ein Tier beisst, beiss unbedingt eine Blume und iss sie, wenn es dir möglich ist, auf.

Bellt ein Hund, bell zurück. Bell, wenn du bellst, mehrmals über den Tag verstreut bis in die Nacht. Wenn du nicht weisst, ob du in der Nacht belltest, bell noch vier Tage, dann fade aus. Frag nicht nach Worten, die du nicht verstehst, bedenke: für jedes verstandene Wort wachsen mindestens neun, wenn nicht fünfundzwanzig neue nicht verstandene Wörter nach.

Streichelst du einen Hund, streichel auch eine Katze und streichel auch einen zweiten Hund. Dieser kann ein Stoffhund sein. Wenn du etwas vergisst, vergiss noch etwas, dann vergiss auch das.

Habe stets Kissen für bis zu neun Personen zum Schlafen im Haus und dazu die Bezüge. Auch von Häusern rate ich dir besser zwei zu haben, eines kann ein kleineres sein, zur Not ein Puppenhaus, dann habe ein Bordeauxrotes Kissen für den Puppenwagen mit Vögeln, auch was die Gemüsegärten betrifft, lass immer einen Salatkopf für die Geister stehen.

Kratz nicht allen Schorf weg vom Kopf. Beseitige nicht allen Dreck von deinem Körper, besonders nicht unter den Nägeln. Rede nicht alle Sätze zu Ende. Lege beim Telefonieren plötzlich auf. Brauche niemals die Gewürze auf. Kaufe vor der Neige nach. Fülle auf. Wisse nicht, wo das Neue, z.B. des Kümmels beginnt, weil es der Rest vom alten sein kann. Wenn dein Salz ausgeht, laufe los. Es sei ein ständiges Kommen und Gehen in den lebenshaushälterischen Dingen und in dir selbst unterwegs wie auch in den Geistesregungen und Regionen.

Frage dich, wieso stellt sich die Frage so? Wieso sage ich «tatsächlich», als glaubte ich es selber nicht, als würde kommen gehen heissen, im Sinn von vorankommen, weggehen, was soll die Fliehkraft im Wort? Was binde ich die Kraft im Widerstand und bündel sie zur Lanze, wo ich nichts als zärtlichstes Bleiben wollen will.

Die Frage ist, wie klein kann eine Bewegung sein, dass ich sie noch «gehen» nennen kann und wo ist ihre Grenze zu «bleiben»? Nichts bleibt. Und es gibt Wiederholung. Dieselbe Händeweichheit. Derselbe Rücken. Am schönsten ist das Kommen und Gehen im Kreis. Der Kreis hebelt das Ziel aus den Schultern, damit die Lunge Platz hat, das Herz, und ich nicht verbrannt bin, bevor ich scheine.

Ich könnte auch dahin gehen, wohin es mich treibt, was weder meinem Wunsch noch meinem Willen obliegt, dahin zu gehen. Es handelt sich um die Kraft, die mich anzieht, die mich zu sich treibt, die mich hinab zieht, was auf Erden sehr gut möglich ist.

Fällt oder fiel der Spruch eines Dichters, oder auch nur die Andeutung eines Spruchs, schieb schnell drei hinterher, doch besser ist, wenn du die Sprüche der Dichter kraft deines Willens nicht hörst. Was du dann hörst, das hüte. Hab nie nur einen Schatz und liebe diese, von denen du nichts weisst. Im Winter stell Wasser vor deine Tür und vor die Fenster.

Du sagst dir: ich könnte das mich Anziehnlassen betreiben, ihm auf die Sprünge helfen, zu einer Gelegenheit, mich parat machen, Weihrauch schwenken, meditieren, mich in seine sicherlich nahe Ankunft sie sanft simulierend versenken, das Badewasser schäumen, Gemüse essen und erquickende Säfte pressen, die Vorfreude schüren, das Ereignis in mir unaufhörlich stimulieren, Hände und Füsse maniküren, das Decollté mit kreisenden Fingerkuppen, mit Rosenöl massieren, eine Darmspülung vornehmen und alles tun und gar nichts lassen, damit es kommen kann, und es nicht tun, nicht kommen, obwohl es in mir kommt.

Nicht kommen und schon da sein, weil ich von dort aus gerufen bin, weil ich mich schon da gebildet habe, dort, in einem heftigen unablässigen Wunsche von irgendetwas oder irgendjemand, so sehr, dass ich, käme ich, mich verdoppelte und die Chose aus dem Gleichgewicht geriet, das wär im Kommen Bleiben, mit diesem Hintergrund und dann nach vorn.

Es ist aber so, dass wir solches zwar praktizieren, aber blind. Öffneten wir die Augen, fielen wir runter, je tiefer, je geschlossener die Augen waren, je glücklicher das Praktizieren dieser Körper und Seele weit über die Räume hin strapazierenden Operationen, die wir Ekstase nennen.

Wenn ich etwas Ekstase nenne, nenn ich noch etwas Ekstase und fällt mir dies schwer, dann lass ich mir noch vieles sehr sehr schwer fallen und falle selbst sehr schwer ein, von hoch oben, wie jeden Tag aus dem Traum in mein Bett, in die Welt. Denn wenn zu kommen mein Wille war, wie könnte ich je wieder gehen.