James Thomson Sommer, 1727 (Anfang) Zum englischen Originaltext Hörprobe: Der «Sommer», gelesen von Wolfgang Schlüter Aus Äthers strahlendem Gefild enthüllt, kömmt jezt der Sonne Kind: der Sommer, prangend im Stolz der Jugend und durch alle Tiefe der Natur gefühlt, auf seiner Bahn begleitet von den schwülen Stunden oder luftigem Gefächel, indes vor seinem Siedeblick der Lenz sich kehrt, das blühnde Antliz wendet, Erd und Firmament all-lächelnd seiner heißen Herrschaft überläßt. So will ich tief in Waldes Schatten fliehn, wo kaum ein Sonnenstrahl durchs Dämmer flirrt, und auf das dunkelgrüne Gras am Ufer des verwunschenen Gewässers, welches unter Eichenwurzeln im kieseligen Bette wallt, mich strecken, und dem Jahresumlauf singen Ruhm & Preis. Steig nieder, Eingebung! von deinem Eremitensitz (von Sterblichen nicht oft zu finden): möge Fantasie aus deinem festen ernsten Aug und hingerissnen Aufblizen, das rings aufs Firmament gezielt, nur einen Blick, des Dichters Schöpfung, zu erhaschen wagen, die ein jede Kraft zum Seelenaufschwung exaltirt. Und meiner Jugendmuse früher Freund: Du, in dem sich aller Menschen Zier vereint: des Geistes reines Licht — und Herzenszartheit — Genie und Weisheit — heiterer Gemeinschaftssinn, den Anstand zügelt — Witz und Güte, verschränkt in rarer Harmonie — sowie untadelige Ehre, tätger Eyfer für Englands Glorie, Freiheit, seine Menschen: o Dodington!, begleite meinen ländlichen Gesang, laß dich zu meinem Gegenstand herab, ja, inspirir’ ein jede Zeil und lehr mich, deinen Beifall zu verdienen. Mit welcher schrecklich weltumdrehnden Kraft ward der Planeten Masse einst in Gang gesezt durch all die unbegränzte Leere! —: derart im Flusse vieler tausend Jahre zu verharrn, die ein ums andermal die mühsälige Menschenrasse und ihrer Arbeit Denkmäler hinweggefegt, stet-unablässig, solitär auf ihrer Bahn, dem gutmüthigen Nacht- und Tageswandel und dem Jahreszeiten-Wechsel, immerkreisend, präzis getreu: Das Werk der allperfekten Hand!, die das beständge Ganze austariert hat, treibt und lenkt. Wenn jetzt die Zwillinge nicht mehr in Flammen stehn, sondern der Krebs sich rötet vom solaren Brand, ist kurz der Nächte zweifelhaftes Reich; und bald, dem komm’nden Tag gehorchend, naht die sanftäugichte Morgendin, Tautropfen-Mutter, beim ersten zagen Glimmen im graugescheckten Ost — bis übern Äther weit das Glühn sich dehnt und das Gewölk vorm Schimmer ihres Antlitzes sich weiß zerflockt. Mit lahmen Schritten weicht vor ihr die träge Nacht zurük; der junge Tag strömt ein geschwind und hebt vor dem Prospect seinen batistnen Schleier. Der nasse Fels, des Berges dunkle Spize schwelln vor dem Blick, erhelln sich mit dem Dämmer. Blau schimmern, durch den Dunst, die nebelichten Flüsse. Aus dem behalmten Feld springt unbeholfen der scheue Has, dieweilen Reh und Hirsch durchs Waldthal pirschen und, den Hals oft wendend, den Morgenwanderer beäugen. Da erweckt Musik die traute Stimme unverstellter Freude, und voll erschalln des Waldlands Stimmen rings. Des Tages Herold meldet sich; der Schäfer, flink angekleidt, verläßt die Mooshütte, die er mit Friede teilt, und treibt, der Reih nach, aus dem engen Pferch die Schaafe: daß sie das Grün des Morgens schmecken... Aus: Jahreszeiten/Seasons von James Thomson Für Quereinsteiger: Zur Hauptseite von Urs Engeler Editor |