Birgit Kempker

Hat der menschliche Geist etwas zu tun mit Kidnapping?




Etwas mit Gewalt zu tun hat etwas mit dem menschlichen Geist zu tun. Kidnapping hat mit Lösegeld zu tun. Geld hat mit Gold und deshalb mit Kot und Wort mit zu knackendem Code zu tun. Das hat mit Eseleien, mit Knüppel aus dem Sack und Tischlein deck dich zu tun. Der menschliche Geist hat mehr mit Märchen als zum Beispiel mit Milch zu tun.

Milch hat mit dem menschlichen Geist viel zu tun, wenn sie zu wenig floss und alles in den menschlichen Geist, auch das Fleisch. Die menschliche Brust hat mit dem menschlichen Geist in Form von Busen zu tun. Busenguckerisch hat mit dem Grimmschen Wörterbuch und: das Messer zuckte schon den lebenvollen Busen zu durchbohren - mit Goethe und: mein guter Stern bewahrte mich davor die Natter an den Busen mir zu legen - hat mit Schiller zu tun.

Fleisch hat natürlich mit der menschlichen Natur zu tun, auch wenn es flüchtet, auch wenn der menschliche Geist es auf seinen Raubzügen fängt im menschlichen Wald der zärtliche Ritter, was fängt der menschliche Geist mit dem geflüchteten Fleisch denn an, dem Gestrüpp? Der menschliche Geist verwandelt geflüchtetes Fleisch in Schrift, auf dass es doppelt perdu ist, das heisst, es ist präpariert, aufgelesen zu sein. Für den menschlichen Geist ist menschliches Fleisch Stoff.

Menschliche Schrift hat etwas mit Ernten zu tun, mit Feld, mit Mühle, mit Wind, mit Wolke, mit Vogel, mit Brot und mit Hunger. Was tut der menschliche Geist mit dem Hunger? Er frisst ihn auf und wird scharf davon. Er füllt den Hunger und wird weit davon. Vielleicht ja. Vielleicht nein.

Lösung hat mit Verhaftung und mit Knoten zu tun und mit Schmerz. Und mit Ausdehnung. Auch mit Scherz. Kidnapping hat mit Intimität zu tun und mit Zwang. Mit Zwang Intimität zu tun hat mit menschlicher Situation zu tun und mit Geist und mit Natur und mit Keller, mit dem Stockholm-Syndrom, sogar mit Kofferraum, auch mit Menschen, wie im Traum.

Der menschliche Geist hat mit Rhythmus zu tun, wenn er zu tun hat. Für den menschlichen Geist ist der Rhythmus das Werkzeug, der Treibstoff und der zu ergreifende Gegenstand und auch der menschliche Geist. Rhythmus schwingt und ist fein und ist doch grob und stofflich. Rhythmus ist für den menschlichen Geist Beschränkung, so wie die Welt. Reibung hat für den menschlichen Geist damit zu tun, dass er mit der menschlichen Natur zu tun hat, also mit Leid. Der menschliche Geist hat lieber nicht mit Leid zu tun, so wie der menschliche Leib. Menschliches Leid ist Sprit für den menschlichen Spirit. Der menschliche Geist ist ein Luftgeist und deshalb oft albern und unreif, wenn er ein junger Geist ist, auf seiner ersten Runde im menschlichen Leib, dann ist es ein unruhiger Geist und fahrig und unstet und Sputnik, und aber, ihr Menschen, fürchtet seinen Charme!

Charme hat mit Zauber zu tun. Der menschliche Geist zaubert da am zauberhaftesten, wo er trübt. Der menschliche Geist trübt gern zauberhaft das menschliche Bewusstsein und setzt an die trübe Stelle Messer an, auch an den Busen, der das Haus des Herzens ist. Der menschliche Geist verbündet sich mit der menschlichen Natur zwecks Narkose, wenn er es gut mit seinem Menschen meint. Der menschliche Geist öffnet den Kopf seines Menschen wie die menschliche Natur das Herz. Beides sind tödliche Operationen. Beide arbeiten Hand in Hand. «Doch Totsein ist nicht Ende es ist Totsein und Totsein ist etwas.» Der menschliche Geist hat etwas zu tun mit Gertrude Stein.

Mit nichts zu tun zu haben ist für den menschlichen Geist das Schwierigste. Der menschliche Geist liebt Schwierigkeiten. Die menschliche Natur ist für den menschlichen Geist eine harte Nuss. Der menschliche Geist zweifelt an der menschlichen Natur. Wenn der menschliche Geist nicht zweifelt, dann ist er menschliche Natur. Wenn der menschliche Geist ans Holz pocht, ist es Aberglaube, aber auch Beschwörung von Geistern. Hat der menschliche Geist etwas mit Geistern zu tun? Mit Ahnen? Vielleicht ja. Vielleicht nein. Hören Sie Gertrude Stein?

Der menschliche Geist hat mit Hören zu tun. Hören Sie Gehören? Rasseln? Ketten? Scheppern? Hören Sie Sado-Maso-Zubehör? Hören Sie Raben ums Schloss? Hören Sie Klirren? Hören Sie Gebrüll? Hören Sie Hamlet und seines Vaters Geist? Hören Sie den schwarzen Vater geschwind durch Wald und Wind und im Arm das sterbende Kind?

Der menschliche Geist liebt Schachteln, Kommoden, Schubladen, Schränke, Regale. Der menschliche Geist lebt in Speichern. Das englische Wort für Speicher ist: memory. Der menschliche Geist liebt die englische Sprache. Der menschliche Geist kämpft mit der deutschen Sprache. Wenn der menschliche Geist mit der menschlichen Sprache in einem Menschen kämpft, dann kämpft er in seiner Sprache. Es gibt das Besitzwort, gibt es auch den Besitz in der und der Sprache? Der menschliche Geist liebt die Wiederholung. Ist das Aneignung? Vielleicht ja. Vielleicht nein. Es ist Rhythmus. Ist es Widmung?

Die deutsche Sprache hat etwas mit der menschlichen Natur zu tun. Drum «ging es niemals ohne Blut, Martern, Opfer ab, wenn der Mensch es für nötig hielt, sich ein Gedächtnis zu machen.» Hören Sie Nietzsche? Ich schrieb statt hielt heilt. Oder ist es niztschewo? Das Kinderwort für nirgends? Ist es russisch? Was hat der menschliche Geist mit Steppe zu tun? Wenn der menschliche Geist mit Steppe zu tun hat und mit der deutschen Sprache, dann auch mit Decke, mit Steppdecke, also mit Stickigkeit, Intimität und also mit der menschlichen Natur, mit Klammem und Muffigem, mit Familie, also mit Wahn. Intimität bei Kidnapping hat etwas mit dem Stockholm-Syndrom zu tun und mit dem menschlichen Geist. Der menschliche Geist ist in einer Stockholm-Syndrom-Situation nicht gegen Berührtwerdenwollen durch Stimme und Hand der Kidnapper immun und also durchlässig für die menschliche Natur, die sich ausbreitet im menschlichen Geist und ihn eng stellt.

Hat der menschliche Geist etwas mit lieben zu tun? Der menschliche Geist liebt Schwimmbecken, um darin das Schwimmwasser zu ordnen. Der menschliche Geist liebt Fluss, Meer und Bach, er liebt Feuer, Wald und Aue, um darin die Tiere und die Elemente zu ordnen. Der menschliche Geist liebt Buch, Tuch und Zahl, um darin Buchstaben, Schweiss und die Ordnung zu ordnen. Wasser aber in den Schubladen liebt der menschliche Geist nicht. Liebt er Rinnsal nicht? Liebt er Tröpfeln nicht? Liebt er Moos und Morsches nicht? Vielleicht ja. Vielleicht nein. Hören Sie Gertrude Stein?

Wasser in den Schubladen wird wie jede Verwirrung vom menschlichen Geist natürlich geliebt. Der menschliche Geist weiss, dass Wasser zu Holz gehört und Stein zu Fluss. Zuviel Wasser in den Schubladen, zuviel Stein im Fluss und zuviel Verwirrung liebt der menschliche Geist nicht, weil er sich dann verliert. Natürlich liebt der menschliche Geist es, sich zu verlieren. Das ist es, wozu er menschlicher Geist ist, um sich zu verlieren. Sieht der menschliche Geist sich beim sich Verlieren zu? Mit Augen nicht. Vielleicht ja. Vielleicht nein. «Niemand schreit laut auf auch wenn er einen Vater hatte» schreibt Gertrude Stein.

Wenn der menschliche Geist sich verliert, liebt er vielleicht das zuviele Wasser in den Schubladen, den zuvielen Stein, die zuviele Verwirrung, das nasse Holz, nur hat er das Wort dafür nicht parat.

Wenn der menschliche Geist das Wort parat hat dafür, kann es, wenn es Liebe ist, dann «Liebe» sein? Hat die menschliche Liebe mit Besitz zu tun? Mit der menschlichen Natur? Mit dem menschlichen Geist? Besitzen Worte, was sie sagen? Nun, der menschliche Geist hat mit Fangen zu tun. Auch mit Flügeln. Es ist sehr aufregend für den menschlichen Geist, sich zu verlieren. Es ist auch sehr aufregend für den menschlichen Geist, sich und seinesgleichen zu fangen. Es ist schwierig für den menschlichen Geist, anderes als sich selbst und seinesgleichen zu fangen und sehr aufregend, wegen Transformation. Für den menschlichen Geist ist es eine grosse Herausforderung, eine natürliche Pfingstrose zu fangen mit dem Kopf. Doch was fängt der menschliche Geist mit Pfingstrosen an, wenn er nicht blutjung ist und sie durch Pfingstochsen ersetzt und entschärft? Die Pfingstrose ist Gefahr für den menschlichen Geist und exzellentes Transformationsübungsfeld.

Was der menschliche Geist gefangen hat, das gehört ihm weniger als das, was er noch nicht gefangen hat, weil er es nachahmt und darin verliert, vor allem in der Schrift. Vielleicht ja. Vielleicht nein.

Der menschliche Geist ist zickig wie die Geiss und giftig wie der Skorpion. Der menschliche Geist setzt gerne solche Bilder in die Welt, er sucht nach Ähnlichkeiten. Er sucht nach Unterschieden. Der menschliche Geist sucht zuerst nach Zeichen, dann nach Welt. Der menschliche Geist ist aus Welt. Er weht, wie es geschrieben steht, und haucht uns an und Leben ein. Der menschliche Geist ist das, was bei uns bleibt, wenn wir getötet sind. Wir sterben oft in einem Menschenleben in der Liebe meist. Die Liebe ist ein Meister des Tötens. Der menschliche Geist ist auch Trost. Der menschliche Geist als Trost ist gern in Gestalt. Wiedehupf.

Der menschliche Geist hat mit Töten zu tun, wenn er mit Gewalt oder Liebe zu tun hat. Der menschliche Geist zerstört und wandelt. Vielleicht ja. Vielleicht nein.

Menschlicher Geist und menschliche Natur in einen Menschenkörper gepresst hat mit Paradoxie zu tun, mit dem Leben. Das Leben hat immer damit zu tun, dass man darin Zähne verliert. Wer einen Menschenleib presst, wird Blutsaft sehen. Beim heiligen Nikolaus fliesst heiliges Öl aus dem Tabernakel. Ist menschliches Nikolausöl kein menschlicher Geist? Ist menschliches Nikolausöl menschliche Natur? Auch bei der Spermatorrhöe fliesst kein Geist, sondern Samen, der, untergebracht, Kinder schafft, ohne menschliche Eruption, Emotion oder irgendeine kindermachende Zärtlichkeit oder Aufgeregtheit oder Hingeneigtheit, einfach aus Natur, worüber ich mich empör. Hat der menschliche Geist etwas zu tun mit Tränen? Ja.
Der menschliche Geist hat etwas mit Sammeln zu tun. Sammeln ist ein Zwang. Zwang ist Opium fürs Volk. Das Volk sammelt Zwerge. Ich sehe den opaken Ring meiner Mutter zwischen die Radiatorenschenkel fliegen und auf den Fliesen zerbrochen liegen und mich in Opalmilchsplittern spiegeln. Ich sehe, wie ich nicht gelesen wurde. Nicht aufgefunden. Nicht da war. Ich sehe, wie ich niemand gehörte. Wie mich niemand nannte. Ich sehe Essen-Werden. Sehe ich Pudel? Sehe ich Goethe? Was zwingt zu mehr Milch? Das sind die Mütter. Hören Sie: «Diejenigen all diejenigen die es so gut tun und sie tun es sie tun es ja wirklich so gut alle diejenigen die es wirklich so gut tun tun es mit der menschlichen Natur als menschlicher Natur das heisst mit Sich-Erinnern und Vergessen.» Hören Sie Gertrude Stein? Vielleicht ja. Vielleicht nein. Es ist auch gut identifiziert und gedeutet zu sein.

Für mich riecht der menschliche Geist nach Brüder Grimm. Ich bin so satt, ich mag kein Blatt, ich sprang nur übers Bächelein und frass kein einzig Gräselein, sprach die Ziege und stank und log, denn sie war satt und frass viel Gras. Sie war eine Ziege. Der menschliche Geist zieht aus, um Ziegen zu fassen. Der menschliche Geist hat etwas mit Tautologie zu tun. Der menschliche Geist haust in sich selbst wie der Minotaurus im Labyrinth und hat Angst vor dem roten Faden, Erkenntnisangst, sehen Sie, wie der menschliche Geist gern Ungleiches miteinander vergleicht und in Vergleichen eingesponnen haust, Undinengleich, trotz der hilfreichen Hand mit dem hilfreichen Wollknäuel? Hier hülfe der Wolf. Der menschliche Geist kann vom Wolf etwas lernen. Die Zärtlichkeit des Vollzugs. Das Rumpeln und Pumpeln der gefressenen Kleinen. Das Humpeln zum Brunnen. Hat der menschliche Geist mit Durst zu tun?

Wenn der menschliche Geist mit Durst zu tun hat, hat er dann auch mit Gewalt zu tun? Wenn der menschliche Geist mit Durst zu tun hat, dehnt er sich aus und das hat wenig mit Gewalt zu tun, ausser er tut es mit Gewalt und nicht mit Zärtlichkeit.

Irgendwo gibt eine Mutter dem Kind keine Milch. Irgendwo liest ein Vater dem Kind kein Märchen. Der menschliche Geist hat etwas zu tun mit Richtung und Not. Vielleicht ja. Vielleicht nein. Hat der menschliche Geist etwas mit Radius zu tun? Mit Strahlen? Hat Kidnapping etwas mit Wald zu tun? Mit Rettung? Kidnapping hat etwas mit grosser Dunkelheit zu tun. Die grosse Dunkelheit hat auch damit zu tun, dass jemand etwas zu sich nimmt, um es nicht haben zu wollen, sondern etwas anderes.

Der menschliche Geist hat mit Schreiben zu tun. Was der menschliche Geist schreibt, hat er nicht, es geht ihm im Schreiben verloren. Das weiss der menschliche Geist und verdoppelt doch, um die Pfingstrose aufzulösen, schreibt er sie hin. Ist eine Pfingstrose einzulösen wie ein Versprechen? Beauty is difficult in the days of the Berlin to Bagdad project. Es spuken so viele Tote in den Pisaner Cantos. Der menschliche Geist hat mit Asche zu tun und mit Phönix. Mit Bildvorrat.

Kidnapping hat etwas zu tun mit Gehören. Mit Mapping. Mit Kartografieren. Kidnapping hat etwas mit Eigentum zu tun. Mit Auflesen von Kenntnissen in einen Geistesbesitzstand hinein.

Der menschliche Geist hat mit Grenzziehung zu tun, das bin ich, das bist du, mit Sauberkeit, mit Begriffen, das ist ein Kind, das ist ein Strich, das ist eine Tür, das ist eine Mutter, das ist eine Milch, das ist ein Koffer und das ein schwarzes Pferd. Um sauber zwischen Bereichen zu trennen, treten blutige Messer und Schnittstellen in die Säuberlichkeit auf den Plan und vermischen sich damit. Das Blut wird vergossen und sofort vergessen. Wenn das Blut nicht sofort vergessen werden kann, wird es einem Bereich zugeordnet. Der menschliche Geist ordnet das Blut dem menschlichen Körper zu. Der menschliche Körper ordnet sich dem menschlichen Geist nicht unter, er unterminiert den menschlichen Geist oder setzt ihn kurzfristig oder auf Dauer oder partiell oder ganz und gar ausser Kraft oder starken Erprobungen aus, manchmal auch Euphorien und Verwüstung.

Der menschliche Geist hat etwas mit Hyazinthen zu tun, Rhododendron, Rhabarber, mit blumiger Übertreibung, Übertretung. Der menschliche Geist hat nicht nur mit Zerschneidung der Körper zu tun. Der menschliche Geist hat auch etwas mit Zerschneidung des menschlichen Geistes zu tun. Vielleicht ja. Vielleicht nein. Schauen wir ihm ins Gesicht. Was sehen wir? Wir sehen ein Kaninchen. Der menschliche Geist hat mit Mütze und Kaninchen zu tun und mit Pfingsten.

Der menschliche Geist hat mit Sezieren zu tun. Er seziert sich ein Stück Geist aus seinem Geist, sondert es ab, setzt es in eine Gegend und nennt es bei einem Namen. Spaltung ist etwas für den menschlichen Geist. Vielleicht ja. Vielleicht nein. Vielleicht Futter.

Kernspaltung ist etwas für Krieg und Krieg ist etwas für den menschlichen Geist. Krieg ist nichts für den menschlichen Körper. Krieg hat mit der menschlichen Natur zu tun und mit dem menschlichen Geist im unmenschlichen Sinn.

Krieg ist ja der Vater der Gedanken. Krieg raubt Unterkunft, zerstört Häuser und Körper, auch Köpfe, Häupter und Busen und darin Träume und in den Träumen Häuser und Körper und Reiter. Krieg zerstört den menschlichen Geist, wenn dieser in einem Menschenkörper haust, aber auch ausserhalb. Der menschliche Geist hat etwas mit Krieg und Zerstörung zu tun und mit Kriegen, mit Habenwollen und Gefrässigkeit. Vielleicht ja. Vielleicht nein. Krieg zerstört den menschlichen Geist, wo er ihn nur kriegen kann und mit seinen eigenen Mitteln, damit er auferstehen kann. Resurrection.

Kidnapping ist Privatkrieg. Privatkrieg ist kleiner Krieg im grossen Krieg und fühlt sich gross an, manchmal grösser als der grosse Krieg im kleinen Mann. Kidnapping ist Klauen von etwas, um es für etwas einzutauschen, was mehr wert ist, lieber besessen wird, eine einfache frühe Methode. Ein Tauschgeschäft. Es ist dabei Gewalt im Spiel. Wenn beim Kidnapping nicht mit Mord gedroht werden kann, dann muss mit Abschneiden von Körperteilen gedroht werden können, sonst kann ein Kidnapping kaum erfolgreich sein. Bei einem wirklich erfolgreichen Kidnapping sind alle zufrieden, alle zeigen sich von ihren besten Seiten und erleben heldenhafte Minuten, manchem fehlt nachher ein Glied, meistens ein kleines, gut in ein Taschentuch einwickelbarer Finger oder Zeh. Erpresser müssen etwas in der Hand haben, um zu erpressen. Erpresste müssen sich wirklich erpresst fühlen, damit sie erpresst sind.

Oft ist das Fernsehen dabei, wenn die Taschentücher ausgewickelt werden, oft auch Reporter und Philosophen, auch Dichter schreiben darüber und die Kinderliebe blüht. Werden Erwachsene gekidnappt, blüht sie auch, denn Gekidnappte wirken in ihrem Geklautsein wie Kinder. Die Augen werden grösser, die Stirn höher, der Mund empfindlicher und das Herz schlägt schneller. Noch schneller aber schlägt es dem, der nicht von wem zu sich genommen ist.

Auch beim Klauen schlägt das Herz sehr schnell. Wenn ich etwas klaue, nehme ich es, ohne dafür zu bezahlen, denn ich habe erkannt, dass es zu mir gehört. Ich könnte es auch liegen lassen, und es gehörte mir. Wer richtig klaut, der nimmt es auch. Sich schämen beim Erwischtwerden ist aufregend, schon die Möglichkeit sich zu schämen regt die Durchblutung an. Deshalb hat der menschliche Geist etwas mit Scham zu tun. Röte, egal wo sie hin schiesst, hat mit Wollust zu tun. Sich schämen beim Denken ist das schönste. Und selten.

Wollust hat mit Tieren zu tun. Wer die Wollust nicht zügelt, kommt den Tieren gleich, sagt Leonardo da Vinci, der in dieser Sache eine Art umgekehrtes Problem besass, nämlich, dass er die Zügel gern in der Hand behalten hätte, wenn die Pferde durchgehen, nur gingen ihm die Pferde nicht durch, was sich Leonardo mit Mangel an Luft und dann mit Mangel an Blut im männlichen Zwischenbeinflügel erklärte und deshalb aufs Fliegen aus war, schreitet die Psychoanalyse so unbarmherzig voran, in der das Anale mitten im Wort steckt, dass sie per Kurt R. Eissler Leonardos Anus ausführlich untersucht, im ureigenen Analysezwang. Und in einem wiederum umgekehrten Sinn sah Michel Serres deshalb die Tiere ungefähr den Engeln gleich, und wer nicht viele Tiere ist, spricht er, der möge sich verpissen, dem Sinn gemäss.

Leonardo studierte lange den Milan, dessen ungebremsten Flugvermögens selbst bei heftigsten Winden wegen, landete dann bei der Fledermaus, die im Schlaf den Kopf nach unten und im Flug spornstreichs nach vorne eichelhaft hält, trägt und stösst und immer dabei sehr schwarz ist. Leonardo schlug vor: Zerlege die Fledermaus. Halt dich an sie und baue nach ihr das Gerät. Ende des Raubzugs.

Vor Menschen und deren Geist in roter Wollust zu stehen und zwar unrechtgemäss, also mit dem Privileg, sich zusätzlich zur Röte schämen zu dürfen, also mit Blutandrang im Gefäss, hat mit dem menschlichen Geist zu tun. Also hat auch Leonardo mit dem menschlichen Geist zu tun und wir müssen uns nicht schämen, wenn wir es mit ihm zu tun haben, auch nicht wenn es mit der menschlichen Natur zu tun hat.

Wer beim Klauen erwischt wird, schämt sich nicht wegen der Dummheit, erwischt worden zu sein, sondern wegen der Durchsichtigkeit des Wunsches, erwischt werden zu wollen. Der Wunsch nach Erwischtwerden ist bekannt aus der Bibel: also sexuell. Wie kann aber etwas, was mit der menschlichen Natur so viel zu tun hat, mit dem menschlichen Geist zu tun haben? Hat die menschliche Natur etwas zu tun mit Sex? Vielleicht ja. Eher nein.

Kidnapping ist eine Unterart von Erpressung. Hat der menschliche Geist etwas zu tun mit Erpressung? Erpressung hat etwas damit zu tun, dass jemand am langen Hebel sitzt und jemand am weniger langen und dass der, der am längeren sitzt, diesen benutzt, Hydraulik. Erpresser leben gefährlich. Erst wenn Erpresser nicht mehr leben, ist das Erpresstwerden auszuschliessen seitens des Erpressten, ausser der Erpresser hat Miterpresser, dann müssen auch diese sterben, wenn Erpressung in einer bestimmten Sache auszuschliessen sein soll.

Prüfen Sie sich. Sie werden zum Tee mit einem Erpresser oder einem Kidnapper geladen. Sie wählen den Kidnapper. Kidnapping hat wegen Kid, kidding, foppen, necken, mit etwas Weitem, Präriemässigem und Abenteuerlichem, mit etwas Amerikanischem und Hengstischem zu tun. Epressung hat mit Geiz, mit Enge, mit Gier, mit Neid und mit Pressen zu tun. Beim Erpressen wird niemand kunstfertig geklaut. Beim Erpressen werden Nacktfotos geordert und schlecht bezahlt, Schnüffler in knittrigen Anzügen und dreckigen Autos werden beauftragt, Dokumente werden in Klarsichthüllen gesteckt und in Tresore geschlossen. Hat der menschliche Geist etwas zu tun mit Erpressung? Vielleicht ja. Vielleicht nein. Hat der menschliche Geist etwas zu tun mit Spannung? Aber mit Tresor.

Wo finden wir den menschlichen Geist? Beim Menschen. Menschen werden aus Körpern gepresst und deshalb geboren. Der menschliche Geist hat, wenn er ein wirklich menschlicher Geist ist und nicht eine verkleidete menschliche Fresszelle, dann hat dieser menschliche Geist nichts mit Erpressung zu tun. Der menschliche Geist lässt sich nicht erpressen, kidnappen schon. Der menschliche Geist ist sanft und verführbar, schneidend und eisig und wechselhaft. Hat der menschliche Geist etwas zu tun mit dem Wetter?

Das sind meine Kinder, sagen die Menschen zu ihren Werken. Dies habe ich im Winter gemacht. Dies habe ich im Sommer ausgebrütet.

Ja, nehmen wir die Dichter. Die Dichter fürchten immer andere Dichter. Niemand weiss besser als die Dichter, dass Dichter Vampire sind. Dichter nehmen es von überall. Sie nehmen es vom Lebendigen und vom Toten. Sie nehmen es von Körpern, von Bäumen, von U-bahnhöfen, sie nehmen es von Nachbarn, von Liebsten, sie nehmen es von Tieren, von Geistern, von Bettbezügen und Waschanleitungen, sie nehmen es vom Sport, vom Fernsehen, vom Telefon, vom Krieg und sie nehmen es aus Büchern. Angeblich töten sie es, um es anzurichten. Wenn den Dichtern etwas heilig ist, dann nehmen sie es auch und erst recht, oder sie sind schwache Dichter. Dichter schämen sich von Beruf aus immer. Wenn sie sich nicht schämen, sind es sehr schwache Dichter und schämen sich deshalb.

Hat der menschliche Geist etwas zu tun mit Gewohnheit? Die Gewohnheit ist der natürliche Feind für die menschliche Scham. Wer in den Genuss menschlicher Scham kommen will, muss etwas Schock empfinden beim Schämen. Wer keinen Schock empfinden will beim Schämen, schämt sich nicht und benutzt die Schablone des Schämens. Der menschliche Geist kann so geschickt die Schablone des Schämens benutzen, dass er sich wirklich schämt. Wie auch immer menschliche Scham erzielt wird, Beweis dafür ist die einschiessende Röte, nicht aber das rote Gesicht. Ein weisses Gesicht kann ein Beweis für Scham sein. Die Röte kann aus den sichtbaren Gebieten in die unsichtbaren, oder schwersichtbaren, angekleideten Gebiete schiessen und dort für Aufruhr und Konfusion sorgen, sich also heimlich schämen. Wenn der menschliche Geist sich heimlich schämt, dann nur, wenn er sich durch die Kleider beobachtet und also erkannt fühlt. Es gibt aber soviele Ausnahmen, wie es Schamgeniesser gibt. Vielleicht ja. Vielleicht nein

Moderne Kleptomane klauen sich viele Ichs, und da sie wirklich modern sind, suchen sie nicht lang in der Fremde, sie finden sie zahllos in sich. Es kann in diesen Gebieten zu Überschwemmungen kommen, was den modernen Kleptomanen nicht stört. Ertrinken ist sein Fach. Und unter uns: ich würde lieber, als kleptoman sein, kleptomaniert. Klauen strengt an und macht fett. Geklaut werden ist leicht und macht frei. Ich sässe in einem Keller, sähe auf die Kellerwand, wüsche mich mit täglich frischem Wannenwasser, tränke auch Wasser und ässe die hereingebrachten belegten Brote. Ich würfe mich mit dem Bauch auf die Matratze, wenn es klopft und Botschaften auf den Tisch gelegt werden. Ich würde antworten und meine Antworten würden vom Tisch weggeklaut. So würde ich mich aus mir herausschreiben und an einem mir unbekannten Ort untergebracht, in Sicherheit deponiert sein und sässe doch im Keller mit dem linken Fuss in Ketten und sagte Worte und hörte Worte da unten etwas zu mir sagen, und wünschte, eine Hand legte sich auf mich, ich, die gehörte, das wär ich gern.

(Manuskript zum Vortrag gehalten am 20. 5. 98 zusammen mit Marion Strunk zum Projekt Wahrnehmung, Deutsches Seminar Basel, unter dem Titel: Im Dickicht der Triebe. Vom menschlichen Geist als Kidnapping.)


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