Philippe Lacoue-Labarthe Argument 1. Im Horizont der Arbeit, aus der hier ein Fragment vorgelegt werden soll, eine Frage: ist eine Politik möglich, die Heideggers Denken in Betracht zieht? Wer auf Heideggers «Denken» so Bezug nimmt, trägt - auf gewiß nicht simple Weise, sondern fragend und in Auseinandersetzung - der Triftigkeit der «Frage der Metaphysik» Rechnung. Setzt sich infolgedessen aber auch der Gefahr aus, die Frage einer «möglichen Politik» in jedem ihrer Worte wie in ihrer Möglichkeit schlechthin ungültig erklärt (oder streng umgrenzt) zu sehn. Inbesondre garantiert nichts für die Beibehaltung irgendeiner Wohlbegründetheit des Begriffes Politik. 2. Um diese Frage auf die Probe zu stellen, und sie auch nur ansatzweise genauer fassen zu können, muß man zunächst das untersuchen, was im folgenden aus ökonomischen Gründen die «Heideggersche Politik» genannt wird: welche politischen Implikationen - und auf welche Weise (zufällig, unzufällig, mittelbar oder unmittelbar), bis zu welchem Punkt, mit welcher Strenge, in welchem politischen Gestus, in welchem Bezug zum Philosophischen, usw. - hat Heideggers Denken haben können? Welche politischen Konsequenzen hat die Umgrenzung der Metaphysik nach sich gezogen bzw. unterbunden? 3. Die Durchführung einer solchen Untersuchung setzt voraus, daß man - erste Etappe einer bis heute zu sorglich vermiedenen Arbeit - die Frage des politischen Engagements 33 direkt angeht. Und daß man diese Frage nicht von außen stellt, von einem (geschichtlichen, soziologischen, ideologischen oder ganz einfach politischen) «Gesichtspunkt» her, der von vornherein, aufgrund der Radikalität der Heideggerschen Fragen, außer Betracht fällt, sondern von Heideggers Denken her. Das heißt - es gibt dafür kein andres Wort - als eine philosophische Frage. In sich gedoppelt: a) Aus welchem philosophischen Grund hat es zum Engagement 33 mit den Nazis kommen können? Was hat in Heideggers Denken das Engagement, dieses politische Engagement, ermöglicht, oder eher: nicht untersagt? (Eine erste Frage, unter der Hand, von allgemeinerem Gewicht: unter welchen Bedingungen kann das Politische das Philosophische mitreißen? Gibt es eine unumgehbar politische Überdeterminierung des Philosophischen? Und bis zu welchem Punkt ist das Politische mächtiger als das Philosophische? - Diese Fragen zählen vielleicht zu den schwerwiegendsten, die uns der «Totalitarismus» hinterläßt.) b) Welche Bedeutung hatte Heideggers politisches Engagement im Jahr 1933? Welche Politik - und welcher Begriff des Politischen - waren in es verwickelt? 4. Unter diesem Winkel soll die Analyse des einzigen politischen Textes versucht werden, den Heidegger nicht zurückgenommen hat: der «Rektoratsrede». Auch hier, das versteht sich von selbst, aus ökonomischen Gründen: die «posthume» Anerkennung dieses Textes räumt ihm ein unbestreitbares Privileg ein; man müßte aber, die Zeit würde nicht reichen, alle politischen Äußerungen Heideggers (33-34, und später) einer Analyse unterziehen. Gezeigt werden soll, daß die «Rektoratsrede» sich in die Linie der «Destruktion der Geschichte der Ontologie» einschreibt, das heißt, nicht ins Unternehmen der Entgrenzung der Metaphysik (oder, weniger noch, ihrer Dekonstruktion), sondern ins Projekt ihrer grundlegenden instauratio oder Neugründung. Heideggers Politik im Jahr 1933 ist die deutlichste Konsequenz aus der «Wiederholung» der Kantischen «Grundlegung» - und dadurch auch aus der Wiederaufnahme der (griechischen) Frage nach dem «Sinn von Sein». Für Quereinsteiger: Zur Hauptseite von Urs Engeler Editor |