Dorothea Grünzweig

Thema in Polar-Dur



Mir ist der Winter eingegeben
erst wenn die letzte Schweigezeit
vorüber ist wird sich das ändern

das Frostgestirn und die erstarrten Seen
Bäume gekrallt ins Himmelsfleisch und
Schneegeschneckel stummen Wilds in
weissen Wäldern um die
die Nacht sich schliesst und
was das Festland aufsucht übers Meer
kommt's her als brennendkaltes
sturmgetriebnes Eis wer weiss seit
wann ich dieses Winterinland habe

Ich höre nur das Meideglöckchen
läuten wenn ich im Süden meinem
Ursprung bin im Land der Kälte
schweigt's weil Innenaussenwinter
sanft aneinanderschlagen am Selben
wie zwei Gezeichnete Gebückte wie
zwei Beglückte tragen

Du mit der Grasnatur du so
verspielt versommert bleib
häng deine Stirn häng
ihren Schein in meine
Winterneien bei dir hör ich
das Glöckchen nicht behüt
auch wenn du mit dem Gegensinn
zu meinem Stand beschenkt wardst

Als Hergeborner dieses
Lands kommst nah mir wie
ich dir bist ja
dem Eis entblüht



(Neben Gedichten von Dorothea Grünzweig findet sich in ZdZ Heft 15, April 2000 auch ihr poetologischer Essay «Lichtungen, Eislöcher, andere Bleiben».)
Dorothea Grünzweigs Bio- und Bibliographie