Pressestimmen zu Walter Abish





In «Alphabetical Africa» konstruiert Abish nicht nur einen Kontinent, sondern rekonstruiert zugleich auch den Prozess seiner Aneignung über das eigene abendländische Zeichensystem. So, wie sich die Kolonialmächte Afrika durch Bilder, Filme, Landkarten, Lexika, willkürliche Grenzziehungen und Namen erst begrifflich und dann politisch-wirtschaftlich angeeignet haben, so greift Abish nach einem Afrika, das durch Hinzufügen von Buchstaben allmählich an Deutung gewinnt. [...] Angesichts der Unfassbarkeit Afrikas tritt Abish im zweiten Teil des Romans den Rückzug von «Z» nach «A» an und eliminiert Buchstabe um Buchstabe die Semantik dieses Kontinents und damit den naiven Glauben seiner objektiven Darstellbarkeit. Abishs Roman liest sich als Kritik am Aneignungswillen einer ethnozentristisch-westlichen Welt. Nichts bleibt am Ende übrig als ein Gestammel von Worten mit dem Anfangsbuchstaben «A». [...] Der Roman ist nicht nur ein Sinnbild kultureller Transkription, sondern zugleich auch ein Paradebeispiel literarischer Übersetzung, die kaum jemand besser bewerkstelligen konnte, als ein Schriftsteller. Jürg Laederachs Adaption ist im doppelten Sinne des Wortes originell. Dass der Verlag beide Versionen in einem Band nebeneinander stellt, ist daher nur recht und für den Leser ein zweifacher Gewinn. (Klaus J. Milich, Tagesspiegel)


Walter Abishs respektive Jürg Laederachs «Alphabetisches Afrika» ist ein Abc-Buch und eine sich selber auf die Schippe nehmende Alphabetisierungskampagne der besonderen Art. Buchstabiert es doch den dunklen Kontinent anhand seiner dubiosen inneren und äusseren Protagonisten, schwarzen und weissen Agenten und Kontrahenten mit dem missionarischen Eifer eines poetischen Regelsystems hin und zurück, lässt ihn dabei seinen untergründigen Sprachströmen entlang auswuchern und seine saftigsten Sakrilege gerade in der strengen Form eines Katechismus aussprechen. Eine wortgewaltige Landnahme – als Entzug inszeniert, ein in geordneten Bahnen verwildernder Diskurs, in dessen alphabetischer Ordnung aleatorische, alliterative und allusionsreiche Unordnung entsteht, die sein systematisches Bemühen durchkreuzt. [...] Solid und schön gebaut, gegen jede feuchte und trockene Hitze resistent – ein Buch zum Mitnehmen, das nicht nur ins Regal von Literaturfreaks gehört, sondern in jede Afrika-Mission, Afrika-Bibliothek und als Grundlagentext in jedes Afrikanistikstudium. Denn dieser alphabetische Vexierspiegel macht uns durch seine experimentellen Vorgaben auf eine existentielle Art und Weise klar, was noch kein wissenschaftliches Kompendium vermochte: Das imperialistische Prinzip der Angleichung des Fremden findet seine Umkehrung und Ergänzung in der Verfremdung des Selbsterlebnisses. Und damit tritt die alle politische Korrektheit prospektiv durchkreuzende Poesie auf den Plan: Nur diese vermag uns direkt und real vor Augen zu führen, was uns weder Hauptstudium noch Häuptling beweisen können: Das wahre Afrika gibt es – und gibt es nicht. Nun auch auf Deutsch und im Herzen Basels. Dank Laederach, I presume... (Andreas Langenbacher, Basler Zeitung)


«Alphabetical Africa» liest sich wie eine außer Kontrolle geratene Fibel, die immer noch in einfachen Sätzen und autoritärem Gestus die Welt bezeichnet, während Worte und Bilder in Wirklichkeit längst verrückt spielen. (Karsten Kredel, die tageszeitung)


Abishs Wahnsinn zeigt sich in der Parallelität von strengem Formsystem und delirierender Geschichte. Wir sind eben nicht nur im Alphabet, sondern auch in Afrika, wenn auch in einem unbekannten. Das Afrika in diesem Buch ist ein düster-irres Panoptikum, aus dem der Ethnologe so viel lernt wie der Volkshochschüler, das nämlich, was Walter Abish auch in seinen späteren Büchern immer wieder vorgeführt hat: den Zusammenhang, der in der allgemeinen Brüchigkeit dieser Welt begründet ist, und die Lust, aus den Splittern, die da überall herumliegen, ein Puzzle zusammenzusetzen, das nie aufgehen wird. [...] Und immer, hier aber besonders, ist es ihm gelungen, Intelligenz und Inspiration, Wissen und Witz zu bündeln und daraus ein einzigartiges Abenteuerbuch zu machen, das in jede Bibliothek gehört, die ein wenig auf sich hält. Abteilung Säulenheilige. (Jochen Jung, Die Zeit)


Alle Details und Fakten, auf die es Abish abgesehen hat, ordnet er nadelstichartig über eine Textfläche an. Er lässt stets das Fremde in der Fiktion dem ähnlicher erscheinen, als das es sich uns in der Realität wohl ohnehin präsentiert hätte. «Ghanaer glauben fälschlicherweise fest, deutsche Gestik begehre Fluten aufzuhalten, Eidechsen einzukochen, Afrikanern Gehörschäden anzuzaubern, doch die deutschen Gesten bleiben gesamthaft eitel. Abgesehen davon, dass das enorm Clowneske dabei durchdringt», schreibt er zu Beginn seines zu recht wiederveröffentlichten Romans. Ein exotisches Afrika weicht darin etwas anderem. Dieses unbeschreibliche Andere durchdringt die westliche Sprache, die sich darüber aufbläht, kolonial träumt und wieder Luft ablassen muß. (Jörg Gruneberg, Scheinschlag)


Die hoch artifizielle und doch ungeschliffene Sprachlichkeit des englischen Originals legt eine weitere interessante Fährte: Abishs Text ist selber schon eine Art Übersetzung. Der Autor versucht, Afrika in Sprache zu übertragen. Es geht um den unbekannten Kontinent, den sich Kolonisatoren aus anderen Erdteilen zu eigen machen wollen. Abish erzählt Szenen von Entdeckern und Forschern, Räubern und Soldaten, die auf Afrika stossen und das Leben dort als permanentes Defizit wahrnehmen. Die Handlung bleibt etwas diffus. Doch Leserinnen und Leser finden ihr hauptsächliches Vergnügen an der aufregenden Textgestalt. Ausserdem fasziniert der Vergleich der beiden Varianten. Zwei Texte sind in der Ausgabe enthalten, eindeutig deutsch und englisch, und doch stehen die Schreiber merkwürdig neben ihrer Sprache. Sie erzählen letztlich mehr davon als von Alex, Allen, Alva in Afrika. Der wirklich unbekannte Kontinent bleibt die Sprache. (Eva Bachmann , St. Galler Tagblatt)



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