Pressestimmen E. E. Cummings





Ein genaues Aushorchen und Abklopfen der Texte bringt bei Cummings Gewinn: ob es sich nun um konventionellere Gedichtformen handelt, die durch die Kohäsion von Metrik, gebundener Sprache und bildlicher Entwicklung in Bann schlagen, oder um die suggestiven, offenen Sprachgebilde, mit denen man diesen Dichter in erster Linie assoziiert. Zudem – auch deshalb darf man von schöpferischer Unordnung reden – treten durch die halb vom Alphabet diktierte, halb auch vom Herausgeber gesteuerte Konjektur Texte aus ganz unterschiedlichen Schaffensphasen des Dichters nebeneinander und öfters auch in reizvollen Dialog.
Weitere Freude bringt dann der Vergleich von Original und Übersetzung: streng in der disziplinierten Geste, der massgeschneiderten Knappheit des Sprachkleides, spielerisch, aber nie mutwillig im Umgang miteinander, präsentieren sich die beiden Fassungen wie eine Truppe von Trapezkünstlern, fliegend und bunt in der Höhe der Zirkuskuppel: ein Schauspiel, das bezaubert und den Atem verschlägt. (Angela Schader, Neue Zürcher Zeitung)


Er hat dem Gedicht seine alten Trachten vom Leib gerissen und unter Knittelvers, Elegie, Ode, Volksliedzeile die Materialschätze der Sprache ans Licht befördert. Edward Estlin Cummings ist die Portalfigur des literarischen Experiments in Amerika. Er entdeckte die vom Metrum gezähmte Kernkraft der Wörter, ihre der metaphorischen Rede geopferten Ausdrucksenergien, die Reichtümer ihrer rhythmischen Musik. Wo Schiller noch den Erdkreis schulterte, um die Glocke in die Welt zu setzen, ist Cummings einfach nur der Sekretär der Wörter, denen er die Initiative überlässt. [...]
Der metrisch reichen, aber rhythmisch armen Gedichtsprache, die er vorfand, begegnet er mit typographisch vielgestaltigen Feldkompositionen in auffällig naturnahen, die Wortteilchen zerstäubenden Rhythmen, rieselnd und regnend, zitternd, flutend oder tumultuarisch. Das Verb wird zum Ausgangspunkt des Beschleunigungsexperiments und ist auf Cummings’ Geschwindigkeitsskala der Gegenpol zur Statik des Nomens.
Sein poetisches Tonstudio stellt den Übersetzer vor Probleme, die jede einzelne Lösung als Bravourstück erscheinen lässt. Mirko Bonnés Querschnitt von Gedichten aus den Jahren zwischen 1923 und 1962 ergänzt Eva Hesses immer wieder neu aufgelegte und jüngst Lars Vollerts Auswahlbände bei Langewiesche-Brandt. Bei Bonné treten die experimentellen Texte hinter den traditionellen, strophisch gebundenen freien Versen zurück. Vor allem aber bezeugt der Band die lebenslange Auseinandersetzung des Dynamikers ausgerechnet mit der Formgrammatik des Sonetts, die den poetischen Fortgang an Wiederholungen bindet. Wo Cummings’ Wörterwelt ernstlich auf Sinn aus ist, lauert um die Ecke der Unsinn, der Jux, die Albernheit («why don't be silly»). Oder aber der Weg vom Ding zum Wort ist weit. Zweifelsfrei schließt das Wort das Ding nicht mehr auf. Wo dieser Wirklichkeitsvorbehalt fehlt, wo die Versrede simpel wird, ist das Nagen des Zahns der Zeit förmlich hörbar. (Sybille Cramer, Süddeutsche Zeitung)


Die herkömmliche Form des Reims, geradliniges, den Sinn entfaltendes Schreiben, den Effekt fliessender Zusammenhänge sucht man bei ihm vergeblich. Stattdessen: Grossbuchstaben am Beginn jeder Zeile, invers angeordnete Worte, zersprengte Worte, aufgelöste Zeile. Cummings setzt seine Realitätszeichen oppositionell zur Konvention sprachlicher Ordnungssysteme, Satzgefüge, Denkstrukturen. Er atomisiert das Gedicht. In seinen typografischen Feldkompositionen, explosionsartig aufgesprengten und in synkopischen Stolperrhythmen über das Blatt geworfenen, hochaufgelösten lyrischen Sinngebilden löst er die Schwere des Wirklichen, die starre Bestimmtheit der Wortdinge, die Konventionen der Verständigungssprache in den mobilen Äther seiner präverbalen Wortimpulse, in Morpheme und Phoneme auf. [...]
Daneben entfaltete er ein breites Ausdrucksspektrum zwischen offenem Vers und gebundenem Gedicht, namentlich dem formstrengen Sonett, das er intensiv, intensiv dekonstruierend, pflegte. «39 Alphabetisch» versammelt 39 vorzüglich übersetzte Gedichte aus dreizehn Gedichtbänden, die einen immer wieder vor- und zurückspringenden Längsschnitt durch das lyrische Gesamtwerk legen, vom ersten Gedicht aus «Tulips und Chimneys» (1923) bis zu dem aus dem Nachlass stammenden dritten der «Späten Gedichte». Er blieb sich selber treu, blieb zeitlebens der Neutöner in seinem Labor. (Sibylle Cramer, Basler Zeitung)


Bonnés Cummings-Übersetzung macht sehr anschaulich, wie sich hier der Gedichtkörper unter dem Einsatz aller Kräfte und einem streng organisierten Letternfuror um Sinnlichkeit bemüht. Die Auswahl präsentiert nicht nur den Virtuosen der Wort-Zerlegung, sie zeigt Cummings auch als Epigrammatiker, als Verfasser von kleinen Liebesliedern und Kinderversen, als Natur-Enthusiasten oder als Realisten des «snap-shots», der «l kleine maus» über den Boden huschen sieht oder «ein altes blaues rad in der wiese» entdeckt. Der Lettern-Tänzer Cummings, der Glockenschläge typografisch in eine poetische Treppenstufen-Form übersetzt, tritt ebenso auf wie der lautmalerische Sprachartist, der das Erwachen des Lebens beim Sonnenaufgang schildern will. (Michael Braun, Frankfurter Rundschau)


Es bleibt nur ein Staunen über die Intelligenz, die hinter diesen Gedichten steht. (Christine Langer)


Der Übersetzer Mirko Bonné übertrug mit Bravour. Kühn und ungezähmt muten diese Gedichte an. Wir Wildblumen an einem unerreichbaren Steilhang. Mit mehr Verstand als Glück kann man einen Blick auf sie erhaschen und mit mehr Glück als Verstand an ihren Düften schnuppern. (Kieler Nachrichten)



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