Pressestimmen zu Ulf Stolterfoht





Der Lyriker Ulf Stolterfoht, den man der sprachreflexiven Dichtungstradition zurechnen darf, hat sich ein Wissen um die ästhetischen Bestände bewahrt und es sich zugleich zur Profession gemacht, die alten Texte des Kanons einem ironischen Haltbarkeitstest zu unterziehen. Stolterfoht betätigt sich als Abrissarbeiter im Überbau der ästhetischen und auch außerästhetischen Diskurse, ein unsteter Wanderer zwischen den einzelnen Sprachwelten und «Fachsprachen», der uns bei seinen vokabulären Tiefbohrungen zeigt, wie hohl und morsch die Normierungen und formalisierten Übereinkünfte in den einzelnen «Fachsprachen» geworden sind. (Michael Braun, Freitag)


Im Grunde aber, und das ist die substanzielle Kehrseite der Ironie, sind die Gedichte und ihr Verfasser auf das Gegenteil aus: auf den ernsten und brauchbaren Text, der nur wie die Rose im Dickicht der Hecke so schwer zu finden ist. Diese doppelte Bindung der Gedichte, einerseits das Recycling der Postmoderne zu bedienen, um es andererseits lächerlich zu machen, ist für mich das Aussergewöhnliche an ihnen und lässt viele ähnliche Versuche, die in den Schleifen der Wiederholung den Ausgang nicht finden, weit hinter sich zurück. (Jochen Hörisch, Neue Zürcher Zeitung)


Am liebsten wäre es ihm, das Material so schichten zu können und tanzen zu lassen, dass er hinter seiner Abmischung verschwinden kann. Auch hier liegt natürlich die alte Vorstellung nahe von der Dichtung, die sich selbst schreibt, von der Autorschaft, die sich im Werk auflöst. Selten aber dürfte das mit so viel Gelassenheit vonstatten gegangen sein wie bei Ulf Stolterfoht, der entspannt auf Geheimnisse verzichtet. (Guido Graf, Frankfurter Rundschau)


Stolterfoht hat sich sein eigenes Metrum erschaffen, konsequent seit seiner ersten Veröffentlichung sieht es so aus: der Hexa-, Penta- und Stolterfoht-Meter, ein langer, in wilden, unberechenbaren Rhythmen voranschreitender Sechszeiler, der eine ungeahnte Sogwirkung entfalten kann. Jede Zeile meist mit einem Break in der Mitte, markiert durch einen Punkt. «Break» muss man hier tatsächlich sagen, denn dieser Begriff stammt aus der Musikersprache, in die der 1963 geborene Stolterfoht hineingewachsen ist: die Sprache des Jazz, der freien Improvisation, der ihre engeren Grenzen sprengenden Rock- und Popmusik natürlich auch. Das Schriftbild von Stolterfohts Texten ist durch jene Sechszeiler geprägt. (Helmut Böttiger, Die Zeit)


Sagen wir aber hier nur noch, daß es in vielen Gedichten Stolterfohts in fachsprachen etwas gibt, das ich zu den neuen Möglichkeiten der Lyrik rechnen würde: Intellektuelle Heiterkeit, die nicht einfach nur witzig-satirisch oder kulturkritisch ist, sondern mit avancierten poetischen Mitteln arbeitet und auf der Höhe der satirisierten Gegenstände ist, ähnlich – gerade auch in dem Abschnitt fachsprachen IX seines Bandes – wie in der erzählenden Prosa Thomas Meineckes in seinem Theorie-Szene-Roman Tomboy. (Jörg Drews, Merkur)


Auch Ulf Stolterfoht sieht sich gerne in Wörterbüchern um. Aber vor allem durchkämmt er Texte, in denen die Wörter und Wendungen gewisser Fachsprachen bereits angewandt werden. Handbücher, Fachbücher, Abhandlungen. Aus ihrem Sprachmaterial, das ja eine hohe Funktionalität hat, entstehen seine Gedichte in einer kühnen Mischung von Arrangement und Erfindung, die über die blosse Collage hinausgeht und oft hinreissende Versuchsanordnungen installiert. Einen beträchtlichen Teil ihres Reizes beziehen diese Gedichte, wie schon in «fachsprachen I-IX», aus dem Zusammenstoss und der Überlagerung von Wendungen und Zitaten, die der Autor unter die täuschende Decke einer strophischen Gliederung steckt – während sich der sprachliche Duktus der Verse gegen die strenge Ordnung und die damit assoziierte «Schönheit» sträubt, welche die Terzinen oder Quartette suggerieren. […] In diesem Band kann die «gedichtbegleitende massnahme», wie es einmal heisst, nur aufmerksame Lektüre sein, und die wird reichlich belohnt. (Martin Zingg, Neue Zürcher Zeitung)


Ulf Stolterfohts subtile ironische Satz-Kombinatorik löst das syntaktische und semantische Fundament unserer Alltags- und Fachsprachen von innen her auf, findet zu jeder Definition und Behauptung eine ins Groteske zielende Gegen-Definition, die sich mit Vorliebe selbst ad absurdum führt. Hier ist nicht das «Unsagbare» der Widerpart des Dichters, sondern «das so genannte Sägliche», das uns alltäglich in Satz-Schablonen Eingehämmerte. Durch die in Reimen organisierte Verschiebung und Umformung des Zitat-Materials entsteht hier eine gewisse Komik, die zu dem Missverständnis einlädt, Stolterfoht als einen lustigen Nonsens-Dichter zu identifizieren. (Michael Braun, Basler Zeitung)


Ausserdem sei mir der Hinweis erlaubt, dass ich selten bei der Lektüre von Lyrik so gelacht habe wie bei Stolterfoht. This man is forward. (Wolfgang Bortlik, Strapazin)


Seine Lyrik poetisiert nicht die gefühlte Welt – «dieses urgemütliche drüsenidyll» –, sondern erforscht die Weltförmigkeit der Sprache. Dies aktualisiert, die poetische Kehrseite Wittgensteins, der die Sprache als Koordinatensystem der Welt zurechnete. Mit der Sprache als einem Stückchen Welt orientieren wir uns in der Welt -– mit der heiklen Konsequenz, daß Wörter eben Dinge unter Dingen sind und besonderer Sorgfalt bedürfen, um auf Dinge zu verweisen.
Unter diesem materialen Gesichtspunkt werden von Stolterfoht Ausschnitte aus Vokabularen leicht rhythmisiert in etwa elf bis vierzehn Silben lange Zeilen gefügt und dabei verschiedenen poetischen Verfahren der Wortverknüpfung unterzogen: Neben basaler Syntax regeln Klangähnlichkeiten, Assoziationen, Wiederholungen den Sprachfluß. Sinn wird so als Sonderfall von Sprachverwendung erfahrbar, dessen Automatismus stillgestellt werden muß, um an das wirklich wirksame Sprachgeschehen heranzukommen. Was auch Lyrikern nicht leichtfällt: «das gefühl im mund: lyrik jahrelang mit einem unaufgeräumten kulturbeutel verwechselt zu haben». (Thomas Poiss, Frankfurter Allgemeine Zeitung)


Wenn man die Sprache selbst zu Wort kommen lässt, das einzelne Wort nimmt, damit es von anderen Wörtern, die einen ähnlichen Klang oder eine ähnliche Bedeutung oder sogar beides besitzen, angezogen und modifiziert wird, dann taucht man in eine ganz eigene Wirklichkeit, eienr Welt aus Sprache ein. Stolterfoht verabsolutiert das Wortmaterial nicht. Die Arbeiten zerbröseln einem nicht im Kopf, da er in vielen Fällen auf intakte, fast vollständige Sätze zurückgreift, die in ihrem sprachlichen Witz einfach wunderbar sind. (Thomas Combrink, titelforum.de)


Stolterfoht schreibt zumeist eher prosaische Langzeilen, die sich das Lyrische auf Umwegen erarbeiten. Nicht primär über Metrik, sondern über die Semantik. In assoziativer Reihung und Schichtung entstehen dichte Lautgebilde, die immer wieder auch ihr eigenes Zustandekommen mit bedenken. Das ist mehr denn je beeindruckend in der Kunstfertigkeit technischer Beherrschung, kurzweilig in der Originalität der Montagen, im gleichermaßen abgehobenen wie geerdeten Humor, inspirierend über den stofflichen Reichtum. (Nicolai Kobus, taz magazin)


Stolterfoht ist durch seinen anschaulichen Sprachwitz jeder glatten Post-Postmoderne voraus. Wer wie er die neuesten Theorien nach Wittgenstein und Chomsky in poetischen Sätzen reflektiert, verkörpert und beim Wort nimmt und also weiß, wohin der Hase theoretisch läuft, der hat als Dichter gut reden. (Thomas Poiss, FAZ)


Stolterfohts Dichtung ist nicht nur ein Füllhorn an sprachlichen Knalleffekten, seine «Fachsprachen» bilden auch ein einzigartiges Versuchslabor, wie lyrisches Sprechen in deutscher Sprache heute aussehen und sich anhören kann. Bemerkenswert ist, dass er zwar allerlei Fachsprachen benutzt, vor allem Wörter also, die von bestimmten Berufsgruppen verwendet werden und in der Umgangssprache nicht bekannt sind oder dort einen anderen Sinn haben, dass er diese Wörter aber nie für sich alleine nimmt, sondern sie immer in einen Kontext stellt. Stolterfoht tanzt nicht wie ein Schamane um das einzelne Wort, er beschwört nicht die magische Energie des Zeichens. Für ihn ist die kleinste sprachliche Einheit der Satz: «weil: man welt im satz nur/ probeweis zusammenstellt». Spätestens hier wird der Einfluss von Wittgenstein, Gottlob Frege, Max Bense und einigen anderen Denker auf das Stolterfoht’sche Werk deutlich. Aber auch diese Paten bleiben von des Dichters Witz, von seiner Lust an der Verballhornung nicht verschont: «finales kurbeln/ dann drehen: nie wird man/ diese zeilen zur gänze verstehen». Eindeutigkeit oder klare Botschaften wird man in den «fachsprachen» vergeblich suchen. Finden wird man allerdings einen unermesslichen Schatz an klanglichen, rhythmischen und semantischen Möglichkeiten. Ein Abenteuer. Ganz große Unterhaltung. Und eine unerschöpfliche intellektuelle Herausforderung: «weshalb man nicht selten in brüten verfällt. welches immer noch anhält», «gefällt? schon – aber! kein weiteres gelaber.» (Tobias Lehmkuhl, satt.org)


Das wohl größte Kunststück von Ulf Stolterfoht ist nicht, dass er anspruchsvolle sprachreflexive Gedichte schreibt (das tun etliche andere auch), sondern dass er dies ohne die arrogante Attitüde des Spezialisten tut, der nur für einen elitären Zirkel schreibt. Zu seiner Schreibhaltung, die «entspannt auf Geheimnisse verzichtet» (Guido Graf) und stattdessen dem Leser die schiere Spielfreude am sprachlichen Experiment vermitteln kann, gehört nicht nur Stolterfohts offenkundiger ironischer Humor. Ebenso bezeichnend ist die Klarheit, mit der er seine Ästhetik erläutert und in uneitler Reverenz auf Vorbilder wie Reinhard Priessnitz und Oskar Pastior zurückführt. (Gerald Fiebig, satt.org)


Die Fachgemeinde ist hin und weg von Stolterfohts präzisen Wortsystemen, die den Gesetzen und Funktionsweisen der Kommunikation sprachhistorisch, philosophisch und vor allem so komplex auf den Grund gehen.
Die Lektüre wird atemberaubend, sobald man sich an den eigenwilligen Stil gewöhnt hat. (Martin Droschke, Falter)


In der neuen Edition von «Winning His Way» gestaltet sich der Hin- und Widergang zwischen Übersetzung und Original als fruchtbares Leseabenteuer, da der 1963 in Stuttgart geborene und heute in Berlin lebende Lyriker und Übersetzer Ulf Stolterfoht, Autor der dreibändigen Gedichtsammlung «fachsprachen», sich innovative Freiheiten nimmt, ohne das Original aus den Augen zu verlieren. […] Auch wenn man Stolterfoht die vom Original abweichende konsequente Kleinschreibung und die Nichteinhaltung der Zeilenbrüche ankreiden mag, welche die Verse zur Prosa einplättet, so muss man anderseits die frische Erfindungskraft seiner Übersetzung bemerken und den intellektuellen Konterpart respektieren, den sie dem Original bietet. Und loben muss man ihre Heiterkeit, welche die dissoziative Weite der von Gertrude Stein geschaffenen unverkrampften Textatmosphäre sinnreich unterstützt. (Florian Vetsch, NZZ)


Die Andersartigkeit sei hier gepriesen, und der Versuch werde unternommen, sie sich einzuverleiben und ein Stückweit zu begleiten. Es geht eine Kraft von ihr aus, Lockerheit, nüchterne Sachlichkeit und die Lust aus Wörtern Dinge zu machen. Ulf Stolterfoht hat eine Artverwandte übersetzt, mit poetischer Genauigkeit und erkennbarer Freude. (Brigitte Espenlaub, info3)


Die moderne Lyrik ist vielen so verdächtig wie Zigeuner und anderes fahrendes Volk. Dabei ist dieses von jeher die natürliche Gesellschaft des Dichters, des von Ort zu Ort ziehenden, Geschichten und Sprachen sammelnden Sängers. Ulf Stolterfoht, einer der witzigsten und gewitztesten Dichter dieses jungen Jahrhunderts, hat sich nun dieser Tradition besonnen. Nach seinen drei furiosen «Fachsprachen»-Bänden ist er vom Jargon der Philosophie und Literaturtheorie zum Slang der Straße gewechselt. Mit Mitte Vierzig wagt er einen Rückblick auf die Sprache seiner Herkunft: «holzrauch über heslach» heißt sein neuer Gedichtband. In Heslach, seinem Herkunftsort, ein Stadtteil Stuttgarts, scheint es Ende der 70er Jahre weit aufregender zugegangen zu sein als im Berlin von heute, dem aktuellen Wohnort Stolterfohts. Auf jeden Fall kracht und scheppert, jubelt, lacht und knattert es in diesen Erinnerungs-Gedichten an allen Ecken und Enden. Vielleicht liegt es daran, dass in der Jugend alles aufregender erscheint, eher aber doch, weil in Stolterfohts Heslach in so vielen aufregenden Zungen gesprochen wird: dem Manischen, Jenischen oder Matzenbacherischen. Regionale Dialekte dies alles, und auf ihre Art auch Geheimsprachen. Ganz anders als etwa das platte Berlinerisch. (Tobias Lehmkuhl, Süddeutsche Zeitung)


Die alteingesessenen Bewohner des Stuttgarter Stadtteils Heslach müssen wir uns als glückliche Menschen vorstellen.» So beginnt Michael Braun seine Besprechung in der Badischen Zeitung, und er fährt fort: «In Ihrer Neigung zur Renitenz lassen sich diese Helden des Eigensinns kaum von jemandem übertreffen. Zumindest in den 1970er Jahren, so suggeriert uns das neue Gedichtbuch des Ex-Heslachers und Wahl-Berliners Ulf Stolterfoht, muss sich dort eine antibürgerliche Subkultur mit ausgefallenen nonkonformistischen Ritualen gebildet haben. Der junge Heslacher nährte sich damals offenbar von revolutionären Schriften anarchosyndikalistischen Ursprungs, darüber hinaus von Free Jazz, Stechäpfeln, Tollkirschen und anderen bewusstseinserweiternden Substanzen – und nicht zuletzt von Weizenbier und experimenteller Lyrik. Was der passionierte Sprachspieler und Satz-Dekonstruktivist Stolterfoht jetzt als langes «ethnologisches Gedicht» über eine besondere schwäbische Population vorlegt, ist weit mehr als eine poetische Liebeserklärung an seine Kindheitslandschaft. Es ist die hinreißende Inszenierung einer ästhetischen Utopie – nämlich des trotzigen Glaubens an eine Poetik des Widerstands, die sich im freien, anti-semantischen Sprechen realisiert. In diesen Sequenzen führt Stolterfoht auf überwältigende Weise vor, was Lyrik als entfesselte Sprachtheorie leisten kann: «kopfhals ins ungesicherte hinein». Wer experimentelle Lyrik bisher nur als Vorstufe zur literarischen Verkrampfung kannte, wird von der «elaborierten Anarchie» dieses Gedichtbuchs eines Besseren belehrt. (Michael Braun, Badische Zeitung)


Das Werk ist ein schlagender Beweis dafür, dass das lyrisch-diskursive Nachdenken über Sprache den zupackenden Realismus nicht ausschliesst […]Die Linien der Lyrik zieht das Buch herauf bis in die Gegenwart. Weil dieses Werk autobiografisch ist, zeigt es auch den Weg des Dichters, der ihn nicht nur durch die Gassen, Rhythmen und Riten Heslachs führt, sondern auch aus diesen heraus. Ulf Stolterfoht skizziert in den neun thematisch gegliederten Kapiteln seines Buches auf subtile Weise ein Milieu, und er spielt mit der Sprache anderer Dichter, von Oskar Pastior über Inger Christensen bis zu Emily Dickinson. Auf sie macht er sich seinen eigenen Reim. Am liebsten einen Binnenreim. Stolterfohts Zeilen lassen sich treiben zwischen schnoddrigem Slang, Bildungspartikeln und literarischem Zitat, sie finden Synkopen, die an Rap erinnern oder an Jazz. Das ist es wohl, was auf Seite 55 steht: «blutsyntax mit eigenimpuls». Wer der experimentellen Literatur gerne vorwirft, sie liefere eine anämische Variante der Welt, der kann sich durch Ulf Stolterfohts neuen Gedichtband vom handgreiflichen Gegenteil überzeugen lassen. «holzrauch über heslach» ist ein grosses ethnografisches, aber auch autobiografisches Gedicht. Es überwölbt die eigene Herkunft mit einem utopischen und am Ende glücklich erreichten Ziel: dass lyrisch werde, was prosaische Vergangenheit war. Stolterfohts Heslach ist Gegenstand und Sprache zugleich. (Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung)



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