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Tim Krohn

Der Schwan in Stücken (Auszug)




Grosse Wale im Ganzen zu bekommen, ist schwierig. Kleinere Arten wie Mörderwale erhalten Sie in meeresbiologischen Versuchsanstalten. Sie sollten bei diesen Arten darauf achten, dass der Wal ein genügend grosses Bauchvolumen aufweist.
Um den Wal zuzubereiten, ernähren Sie ihn einige Tage mit Milch und frischen Kräutern nach Saison und achten darauf, dass das Bassin regelmässig gereinigt wird. Ist der Wal so von innen heraus gereinigt und gewürzt, wird das Wasser im Bassin vollständig ausgewechselt und mittels Tauchsiedern zum Kochen gebracht. Sollte der Wal hierbei nochmals Exkremente oder, über geplatzte Blutgefässe an Augen oder Lunge, Blut verlieren, sind die koagulierten Rückstände sorgfältig zu entfernen und ist nötigenfalls das Wasser nochmals auszuwechseln. Mit üblichem Kochsalz versetztes Süsswasser ist für die Zubereitung des Wals besser geeignet als Meerwasser.
Eine schonendere Art, den Wal küchenfertig zu machen, besteht darin, ihn aus einem Bassin, das seinen Bedürfnissen entsprechend temperiertes Wasser enthält, direkt in ein anderes, mit siedendem Wasser angefülltes, springen zu lassen. Auf diese Weise verhindern Sie auch fortdauerndes Schreien; es wird nichts weiter zu hören sein als ein pfeifendes Geräusch der durch das Luftloch entweichenden Luft, wie man es von der Zubereitung von Hummern oder Langusten her kennt, wir sprachen davon.
Während einer Stunde ohne weitere Zutaten garen. Regelmässig Schaum abschöpfen. Hierzu eignet sich am besten ein feinmaschiges Netz oder ein Kescher, wie sie in der Fischerei verwendet werden. Sobald sich kein Schaum mehr an der Oberfläche absetzt, ersetzen Sie ein Drittel des Kochwassers durch Weisswein, am geeignetsten ist ein trockener Riesling. In ausreichenden Mengen gestiftelte Mohrrüben, Frühlingszwiebeln oder Schalotten, einige Rosmarinstauden, Lorbeer, nach Belieben etwas Wacholder und genügend Pfeffer in ganzen Körnern beigeben - bewährt hat sich eine Mischung von einem Drittel schwarzem und zwei Dritteln grünem Pfeffer. Sechs bis acht Stunden am Siedepunkt simmern lassen; die Festigkeit des Fleisches prüfen Sie bitte regelmässig durch Einstechen der Bauchdecke unterhalb der Brustflossen. Wenn die Zinken einer Tranchiergabel sich mühelos ins Fleisch versenken lassen, lassen Sie das Wasser aus dem Bassin ab und senken den Wal sorgfältig auf eine auf dem Bassinboden befindliche Servierplatte so ab, dass das Tier auf den Bauch zu liegen kommt. An der Servierplatte befestigte Stahlösen erleichtern das Auftragen.
Das Applizieren des Jonas geschieht durch den Rachen. Sollte dieser sich als zu eng erweisen, erweitern Sie den After des Wals schonend auf die entsprechende Grösse und entfernen Darm und Magen. Der Jonas kann in Betstellung, am ehesten knieend, in Aspik schwimmend, in die Bauchhöhle des Wals verbracht werden. Effektvoller ist es allerdings, wenn Sie einen lebenden Jonas verwenden, der in den Gewändern des Papstes mit Soutane, Spitzhut und Zepter den Wal bei Tisch von innen her tranchiert, um schliesslich durch eine in die Flanke des Tieres geschnittene Öffnung in Form eines Domtores, ein Tischgebet vortragend, vor die Gesellschaft zu treten und Stücke des Wals auf Platten zu servieren.
Schliesslich sollten Sie darauf achten, dass die Platte, auf der der Wal serviert wird, nicht zu stark geschmückt ist. Ein kleines Meer von Petersilie, einige kleinere, bunt schillernde Fische und, in zwangloser Anordnung, einige wie zufällig verstreute Kirchengesangsbücher tun dem ästhetischen Auge des gebildeten Betrachters Genüge.
Damit Sie doch noch zu Ihrem Rezept kommen.

aus: Bienen, Königinnen, Schwäne in Stücken


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