Peter Waterhouse

Von herbstlicher Stille umgeben... (Auszug)




Und das kleine Kind fragt:
wo ist der hin?
Ach, der ist krank und krank und krank
und ist jetzt auf dem Friedhof oder so.
Dann erkrankt der kleine Freund dieses Kinds.
Dein kleiner Freund ist krank.
Und schon sagt das Kind: mein Freund ist auf dem Friedhof.

2
Das ist so, wie wenn wer zu mir sagt:
an der Straßenkreuzung steht der Kolporteur.
Und ich sage: da steht der Cole Porter?
Ich habe die Klänge noch nicht vergessen.

1
Einen richtig großen Schauspieler möchte ich einmal sehen
der nichts weiß, aber nichts vergessen hat
und jeden Gedanken anstellen kann
und jeden Menschen wieder lebendig machen kann
auch den gegen einen Baum Gebrausten
und in Trümmer Gegangenen
der seine Einsamkeit beendet hat.
Das habe ich im Theater immer bewundert
in Stuttgart, Graz und Hameln
dieses: Sich über den Schrank machen.
Ihr entgegeneilend.
Unterbricht ihn lebhaft.

Entfernt sich, sie bemerkt es mit Unwillen.
In Nachdenken verloren.
Er zeigt sich an der Türe.
Die Amme entfernt sich mit Zeichen der Verwunderung.
Sieht sie an und fährt bestürzt zurück.
Steht auf.
Sie zieht ein Papier aus dem Busen, er tritt zurück und zögert, es anzunehmen.
Lebhaft.
Bedeutend.
Schnell.
Französische und englische Herrn treten auf.
Sie zieht einen Ring vom Finger und betrachtet ihn nachdenkend.
Läßt sich auf ein Knie.
Die Tränen trocknend.
Nachdem sie ihn einige Augenblicke forschend mit den Augen gemessen hat, betritt sie ein Flugzeug.
Ein Reh im Wald hebt den Kopf.
Betroffen.
Er fixiert ihn mit ernstem Blick.
Ihn aus der Froschperspektive ansehend.
Er steigt tropfnaß aus einem Teich.
Der japanische Botschafter schrickt zusammen.
Küßt es und betrachtet es mit stummem Entzücken.
Das Flugzeug trudelt.
Er stürzt zu ihren Füßen, der Vorhang fällt.
In Nachdenken verloren
es wäre der Titel für ein ganzes Stück.

Am großen Haus wird es eine Achtelminute gegeben
zwischen einem Gebrüll und einer knallenden Tür
bis das Publikum ruft: ach ja, ach ja,
er ist in Nachdenken verloren,
und laut ruft: Er ist deutlich in Nachdenken verloren,
er sieht sehr nachdenklich aus,
absolut nachdenklich,
mein Gott, so nachdenklich,
kann einer so nachdenklich und deutlich werden,
diese große Kunst einer solchen Nachdenklichkeit
gibt es nur an diesem großen Haus,
nirgendwo anders,
er ist so nachdenklich, wie es sich für ein führendes Haus gehört,
er ist in erstklassigem Nachdenken verloren.
So, sagt sich das Publikum, jetzt ist er damit fertig,
jetzt darf er die Tür knallen gehen,
wir werden sehen, ob er sie erstklassig knallt,
möglichst dionysisch und möglichst erstklassig
und bitte rascher als das Nachdenken,
das sich schon in die Länge gezogen hat.

Die Amme zum Beispiel.
Die Amme entfernt sich mit Zeichen der Verwunderung.
Ein schöner Satz.
Der Verleger hat die Zeichen der Verwunderung ganz fein drucken lassen
und in Klammern gesetzt, verschämt.
Das Publikum sitzt da guten Mutes
und wartet auf die Zeichen der Verwunderung.
Paare beugen sich einander zu und sagen:
Gleich werden die Zeichen der Verwunderung kommen.
Vielleicht wird ein offener Mund dabei sein.
Vielleicht ein erstklassiger starrer Blick dabei sein.
Vielleicht wird Nachdenklichkeit dazu gemischt sein.
Verwunderung. Wo ist ein Mensch verwundert?
Sind die Füße verwundert? Nein.
Ist die Nabelgegend verwundert? Nein.
Ist der Hals verwundert und vielleicht der Adamsapfel? Nein.
Das Gehirn? Das muß es sein.
Die Amme tritt auf mit Zeichen eines verwunderten Gehirns.
Gib einem Schauspieler ein Wort wie «Coca»
einem guten Schauspieler
und er macht daraus eine weltbewegende Sache.
Cooo Caaa
COca, daß die Wände zittern.
Wenn er ganz gut ist
dann rufen sogar die Fingerspitzen Coca.
Ein Fenster auf den Canalgrande.
Oder: In Nachdenken verloren
an einem Fenster auf den Canalgrande.
Oft haben die Menschen solche Regungen und Erkenntnisse
daß sie laut schreien müssen.
Solche Hoffnungen, solch ein Wissen, solch eine Religion


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