Birgit Kempker Wer Sätze kennt, kennt Tiere Der Unterschied zwischen Ich, das Im Bett liegt und über Ich im Städtchen am Flüsschen nachdenkt, das über Ichs und Städtchen und Flüsschen nachdenkt und über das Nachlesen davon und über Sätze und das Nachschreiben und Vorlesen davon, der Unterschied zwischen Bettich und Städtchenflüsschenich ist so geschrieben vom Bett aus hausgemacht. Der Unterschied zwischen Ich, das Beiwohnerich, Ich, das Begleitich (a), Ich, das Beobachterich, Trinkich und Essich, der Unterschied bewohnt Ich, begleitet Ich, beobachtet Ich, trinkt Ich, isst Ich, und sieht: Bettich gleicht gleich Städtchenflüsschenich (b). Das gäb zu schreiben auf. (c) Das Dabeisein verhält sich zum Darüberschreiben (d) wie das Städtchenflüsschenich zum Bettich. Das Darüberschreiben kann das dabeiere Dabeisein sein. Als? Als Dabeisein pur: also Dabeisein pur: der Unterschied zwischen Bettich und Städtchenflüsschenich ist im schönsten Fall überflüssig. Wenn Unterschiede fliessen, ist es nicht zugeschrieben schön. (e) (f) Wenn Ich wüsste, wie das geht, eins von vielem flüssig sein, dann wär Ich am liebsten, wenn Ich: Ich als Satzteil denkt, dann wär ich am liebsten Treibsatz zwischen Holz, Ente, Brücke und im Schuh. Ich als Treibsatz im Schuh ist nicht Ich, was zwischen Bettich und Flüsschenstädtchenich Unterschiedchen zieht. Ich als Treibsatz im Schuh ist Wunschich mit Hindernis. Hindernis hiesse: es wär kein Wunschich, nicht im Städtchen, nicht im Flüsschen, nicht im Bett, was sich als Wunschich wünschte. Der Wunsch wär Wunsch ohne Ich. Wunsch ohne Ich ist wungeschfüllter Wunsch. Unverwüstlich. Vom Bett aus könnte auch vom Schiff aus heissen (g) und: hausgemacht ausgedacht. Im Bett mag sich das Ich das ausgedacht haben, mag sein, es hat einen Weg gegeben vom Bett zum Papier. Bettich mag Papierich ins Städtchenflüsschenich begleitet haben. Da sitzt nun das Sitzich, vorläufig zu dritt: vielflüssig ists nicht, und sitzt in der Welt und berichtet (h). Wer berichtet, tut eine Reise. (i) Wer eine Reise tut, lernt kennen. Wer kennen lernt, lernt das Kennenlernen kennen. Wer das Kennenlernen in Sätzen tut, wer mit Sätzen reist, lernt Sätze kennen, und da fragen sich Bettich, Papierich und Städtchenflüsschenich: hab ich keinen Satz? Übersetzt heisst das: kenn ich keinen Satz? Will von Ich kein Satz gekannt sein?. (k) Ja. Ich kennt einen Satz. Einen langen Satz. Jetzt kommt das Glück zu Ich zu Hilfe (l). In Form eines Speichers. Bettich, Papierich und Städtchenflüsschenich kennen den Satz nicht auswendig, aber den Weg zum Speicher. (m) Im Speicher, sprich hier Diskette, wartet der Satz. Warten, Speicher, Papierich, Diskette, Bettich, Städtchenflüsschenich, Gedächtnis, (m1) was für Worte, lieber sprich: Übergangsort. Werner Lutz sagt Ich am Tisch: Begriffe dürfen versinken. Hier Satz: Wer einen Satz kennt, auf den es ankommt, der soll ihn kämmen, wer einen Satz kennt, der soll für ihn sorgen, wer einen Satz kennt, der kennt das Pferd, auf dem er ihn rettet durch Wald + Wind, wer einen Satz kennt, der fliegt, wer ihn wirklich kennt, der wiehert + galoppiert, wer Sätze kennt, kennt Tiere. Was für Sätze gilt, gilt. Ich will den Satz vom Satz kennenlernen. Von Satz auf, denn: Wer Sätze kennt, kennt Tiere. Ich ist ein Zoo. (n) Kennt Ich den Weg zum Speicher, verlässt Ich das Bett und geht. Kennt Ich den Weg zum Speicher nicht und auch nicht den Satz par coeur, auswendig, verlass das Bett nicht. Kennst du das Liegen? Gut. Kennst du die Tennisbälle? Gut. (o) Kennst du das Hirn hinter den Höckern, du? Der Weg geht so. Kennst du Füsse? Gut. Kennst du Socken? (p) Zieh sie aus. Bette in der Socke die Tennisbälle. Bette den Kopf auf dem Sockenballhügel, da, wo die Höcker stehn und das Hirn hinter den Höckern steht still: Hirnnerven sperren Endmäulchen auf und wiehern und werden viel gefüttert und viel Botschaft fliesst ins Füdli. (q) Und wer kennt sie nicht, die berühmte Schweizer Redensart: es Füdli voll Botschaft, die im Solothurnischen ihren neurologischen Sitz kennenlernt. (r) (s) Die Redensart hat ihren Sitz kennengelernt, sie hat ihre Arbeit getan, Ich nicht, Ich drückt sich. Ich drückt sich ums Aufgehen. Geh auf Licht. Ich drückt sich ums Licht. Ich rückt sich ins Licht. Links ein l, rechts ein t, in der Mitte: Ich, darum drückt sich Ich. Ich hat ein Licht aufzugehen. Ich geht zu einem Satz. «Da sitzen und nichts können.» Das ist ein Satz von Peter Waterhouse. Ich lernt ihn kennen, in Stichworten. In: "Da sitzen und nichts können" sitzt Ich in nichts ein. Links ein und, rechts ein können, in der Mitte nichts: schön. Ich fällt ein: Da sitzen und nichts dafür können. Durs Grünbein sagt Ich am Tisch fällt Malte und Rilke ein. Da sitzt Ich nun, Ich tumber Tor, und ist nicht tumber als zuvor. «Da sitzen und nichts können» Ein Satz wie ein Engel. Ein Engel wie eine Fliege. (s1) Und? In der Mitte das, was den Engel zusammenhält, wo die Flügel zusammenstossen, und links da sitzen und rechts nichts können. Das Sitzen hat sein i im nichts sitzen und sein i im Sitzen. Fliegen am Ort. Wer jetzt keinen Vogel hat: steck schnell Schnabel in Fittich. «Da sitzen und nichts können.» Ich verschiebt das s von sitzen von rechts nach links an a an und Ich fügt vor klein i gross R hinzu und Ich zieht nichts zu können zu nichtskönnen alle zusammen. Das Ritzen und Nichtskönnen. Ritzen, kritzeln, krakeln, kratzen: graben, grab ein, gleich steche ich gleich schreib ich. «Da sitzen und nichts können.» Eine längliche von hier nach da Fünfwortform. Denn sitzen und nichts sitzen ineineinander ein, wie das Ich in nichts und kann deshalb nicht lang sein. Fliegen am Ort. Wie? Wo? Wann? Nun: und. Additiv. Wenn und Rippe ist, dann ist da sitzen Blattform und nichts können. Plattform. «Da sitzen und nichts können.» Ein Satz wie ein Blatt. Sagt Ich von Blatt zu Blatt am liebsten vom Baum aus. Wer Sätze kennt, piept. 19. Mai 1996 Für Quereinsteiger: Zur Hauptseite von Urs Engeler Editor |