Birgit Kempker Woman in Love Ein Fräulein stand am Meer Und freute sich sehr - Schreiben Sie, was Sie wollen, sagt Schilling. Ein optimales Ergebnis will ich. Ein optimales Ergebnis ist immer ein nasses Höschen. - Du schreibst wieder für "Woman in Love"'? fragt Gustav. Laurent hat keinen Käse im Kühlschrank, keine Milch, kein Bier. Von seinem letzten Geld hat er sich ein neues Farbband gekauft. - Das hätten die Dir spendieren können, von "Woman in Love", sagt Gustav und serviert seinem Freund Laurent einen Teller Milchreis. - Hab Rahm unterschlagen, sagt er leise. Das sind fast schon mütterliche Worte und auf Worte achtet Laurent, das weiss Gustav. - Nicht so hastig, sagt er. - Die haben jetzt ein neues Messverfahren, Texttauglichkeitsmessverfahren nennen sie es. Laurent spricht mit vollem Mund und Gustav hat diesen Satz nicht verstanden. - Früher war das persönlicher. Da hab ich den Mädchen meine Texte vorgelesen. Von Mensch zu Mensch. Schon damals hiess das: die Ansprechzeit tA. Da hätte ich merken können, wohin der Hase läuft. Hinter jedem Mädchen hing ein gleichschenkliges U-Rohr-Manometer, Präzisionsinstrumente, Gustav, beste Qualität. Laurent wird lauter. - Der Eichordnung vom 2.3. §408 haben sie eine neue Gattung zugesellt. Das sagte der Schilling damals stolz. Neben jedem U-Rohr-Manometer gleich das entsprechende Auswertediagramm. Du kennst doch diese Fieberkurven, bläuliches Papier und feine blaue Karos darauf. Die Übertragung der Messwerte geschieht elektrisch und selten pneumatisch, sagte der Schilling. Das ist noch heute so. - Mein Opa ist mal an einer Sache gestorben, die hiess was mit pneumatisch, sagt Gustav und er beginnt sich Sorgen zu machen. - Die Dreifingersonde und die Dreilochsonde sind schon lange überholt. Der Messkopf ist mit einem Hitzdraht ausgerüstet und der mündet in die Hosen der Mädchen. Laurent will Gustav mit allen Mitteln überzeugen. - Man benutzt diese Anlage auch bei Messungen in Schleusen, Brunnenanlagen und Stauklappen, Kopf hoch, sagt Laurent. Das ist alles seriös. Gustav schaut unwillig und Laurent redet weiter. - Die Ringkolbenzähler werden als Hauswasserzähler für Kraft und Schmierstoffe eingesetzt, sogar im Haushalt, bei jeder einfachen Hausfrau, Gustav. Gustav hat so seinen Freund noch nie reden hören, er versucht ein anderes Gesicht zu machen und hofft, ihn damit zu bremsen. - Bei geglückten Sätzen, da steigen die Kurven steil an und die Manometerflüssigkeit drängt mit Wucht gegen die Glasschenkel des U-Rohr-Manometers. Mach nicht solche Augen, Gustav, das ist eiskalte Kalkulation bei "Woman in Love". - Wie machen sie es denn heute, fragt Gustav und versucht andere Augen zu machen. - Heute machen sie es todsicher, keine Ungenauigkeiten mehr. Die Mädchen sehen mich nicht, hören meine Stimme nicht und sitzen vor einem weissen Blatt mit einem Satz von mir drauf. Dann noch ein Blatt und noch ein Blatt. Die Ansprechzeit: tA heisst jetzt: tL, Lesezeit. Sogar Beckenbewegungen, die unmerklichsten, mit dem Auge gar nicht zu erkennen, können aufgezeichnet werden, das ist jetzt möglich Gustav, mit dem neuen Schlagmanometer. Ein offen laufender axialer Propellerflügel dreht sich an einem wasserdicht gekapselten Lagergehäuse, das auf einer senkrecht in die Strömung eintauchenden Stange verschoben werden kann. Durch den Zusatz eines Schwebekörpergeräts mit verstärktem Kolbenaufsatz, eine Abwandlung des Staurohrkolbens der Prandl-Röhre, im Archiv für technisches Messen im Auftrag Schillings hergestellt, bleibt kein einziges Zucken in der Beckengegend unbemerkt. Das gibt auf dem Auswertdiagramm rosa Extrakurven. - Du solltest Staubsauger verkaufen, sagt Gustav. - Dir mach ich keinen Milchreis mehr. Für die Kunst ja, für einen Staubsaugermann, nein! - Ach Gustav, Gustav, es geht doch nur um Mädchen. Es gibt einen Mädchentyp, Gustav, da laufen die rosa Beckenkurve und die grüne Feuchtigkeitskurve absolut parallel. Das sind frische Mädchen, fröhliche Mädchen, rosa Backen und taufrischer Mund, die BBFS, die Beckenbewegungsflüssigkeitssynchronen, nennt Schilling sie. Die anderen, die stolzen Mädchen, mit kaltem Blick und trockenen Höschen, die kommen, sagt Schilling, weil die keinen Käse im Kühlschrank haben und keine Milch und kein Brot. Wenn es denen mal passiert, wenn die Höschensensoren kleine grüne Kurven auf das Papier zeichnen, dann läuft die Beckenkurve nicht synchron mit. Sie zieht eine Horizontale, eine rosa Horizontale zum grünen Berg. Das sieht schön aus, ist aber kein optimales Ergebnis. Im neuen Messverfahren ist ein optimales Ergebnis mehr als nur ein nasses Höschen, es sind synchron laufende grüne und rosa ansteigende Kurven. Du siehst doch Gustav, die Poesie hat mich nicht verloren. Mädchen, bei denen gar nichts passiert, nur zwei parallellaufende Linien, die grüne Spur einige Zentimeter im selben Abstand über der rosa Spur, auch synchron, aber ohne jede Hebung und Senkung. "Da versagt das System", sagt Schilling. So todsicher sei es noch nicht. Bei manchen Mädchen käme die Reaktion erst später, bei Erschütterungen im Omnibus oder beim Zahnarzt, das Öffnen des Mundes öffne auch so manchen anderen Bereich. "Und wenn es dann kommt, dann mit 'Caracho'" sagt Schilling. - Zahlt er gut, der Schilling? - Sehr gut, sagt Laurent und geht nach Hause. Gustav spült den Topf, in dem sich der Milchbrei angesetzt hat und runzelt dabei vor Anstrengung die Stirn. Harte Handarbeit, denkt Gustav und fragt sich, ob er es nicht mal mit ein paar Sätzen versuchen soll: "Wenn der Milchreis alt wird, dann riecht er säuerlich. Manchmal riecht es auch säuerlich in einer Frau. Das hat nichts mit dem Alter, aber mit der Anzahl der Tage vor den sogenannten Tagen zu tun." Zu sehr aus dem Leben gegriffen, zu anschaulich, sagt sich Gustav und versucht einen zweiten Satz: "Wenn ich mit einem Topfkratzer versuche, die Milchbreireste von meinem Topf zu kratzen, dann sieht das von hinten so aus, wenn einer in einiger Entfernung hinter mir stünde, als rubbele ich ihr einen runter, der Erika, bei der kommt es manchmal nicht so schnell und wenn, dann kostet mich das einige Anstrengung. Auch meine vor Anstrengung gerunzelte Stirn sieht in dem eine Fall so aus wie im anderen." Davon wird keinem Mädchen warm im Höschen, denkt Gustav und lässt das mit den Sätzen. Laurent sitzt zuhause mit einem Blick auf den leeren Kühlschrank und einem anderen auf seine geöffnete Hose. Er tippt den ersten Satz in die Maschine: "Als Johanna am Meer stand und sich ihre Blicke im Mond verloren, da war es eine günstige Stunde und ich legte von hinten meinen Mittelfinger langsam aber bestimmt zwischen die Lippen ihrer Scham und stiess dann so tief in sie hinein, wie es mit meinem Mittelfinger möglich war. Da liess ich ihn ruhn und Johanna hatte Empfindungen im Unterleib. Sie schaute den Mond an und es wurde romantisch. Ich hätte gern noch etwas in ihr abgelegt." Zu lang, sagt Laurent, ein einziger Satz soll es sein und der muss ins Höschen fahren. "Johanna steht am Meer und ihr Blick verliert sich im Mond, während sich mein Zeigefinger von hinten in ihre Möse schiebt. Sei bitte nicht böse, sag ich. Mond hört sich fast an wie Möse, sag ich. Ich hoffe, sie lässt Weiteres mit sich geschehen, da ich jetzt ein Poet bin." "Johanna steht am Meer und ihr Blick verliert sich im Mond. Sein Finger verliert sich in ihr und sie lässt das geschehen. Er ist ein Poet, denkt sie, er kann Mond auf Möse und Böse reimen, bald stehe ich in einem Buch und wie ich hier so romantisch am Meer stehe mit den Augen im Mond." - Wenn noch mehr passiert, sagt Laurent von hinten und möchte noch immer eine Kleinigkeit in ihr ablegen, dann steht noch mehr von Dir drin, in meinem neuen Buch. Er schreibt: "Johanna steht mit den Füssen im Meer und mit den Augen im Mond. Er streift von hinten kurz durch sie durch und lässt ihn in ihr verschwinden, den Finger." - Die müssen jetzt nasse Höschen bekommen, sagt Laurent zu Gustav, der ihm eine Kraftbrühe kocht. - Ich kann nicht mehr. - Von hinten, Laurent, mit den Füssen im Wasser und den Augen im Mond, das denkt sich so ein Schreiber, wie Du einer bist, aber ein anderer, der hat schon genug mit nassen Füssen, der hat mit nassen Füssen kein Gefühlchen in der Unterhose und wer die Augen im Mond hat, mein Freund, der hat vielleicht nicht so gerne einen Finger in seinem Körper, sagt Gustav. - Ach Gustel, die Erotik ist ein weites Feld, Laurent macht eine wage Handbewegung, die so manches ahnen lassen soll. - Am Montag in der Frühe, als die Sonne rot und rund auftauchte, da hatte ich sie fertig, die Sätze für "Woman in Love", sagt Laurent zu Gustav. Am Montag gegen Mittag, die Mädchen in langen Reihen und Pappwände zwischen jedem Mädchen und dem nächsten Mädchen, Schilling und Laurent im Nebenraum und das leise Summen und Brummen der Maschinen, crèmefarbige Kreppsohlen von Tischchen zu Tischchen, von Mädchen zu Mädchen, verteilen weisse Papiere mit Sätzen drauf: "Johanna steht am Meer und er legt von hinten seinen Finger in ihren Spalt." Dünne Drähtchen müssen durch Röcke hindurch in die Höschen der Mädchen und zeichnen ein Bild aufs Papier. - Tut sich kaum was, sagt Schilling. "Johanna tut, als merke sie nicht, dass sich etwas in ihren Körper begeben hat. Sie spielt mit den Füssen in den Kieseln des Meeres." - Tote Hose, ruft Schilling. "Johanna wiegt ihr Becken hin und her und singt dem Meer ein Lied. Sie bückt sich, als prüfe sie die Temperatur des Wassers." - Schon besser, sagt Schilling und schlägt Laurent auf den Schenkel. "Johanna spielt im Wasser mit den Steinen und Albert spielt in Johanna mit den Fingern." - Tut sich nichts, sagt Schilling. - Kann noch werden. "Mit der linken Hand zieht Albert Johannas Höschen runter und versucht seinen Zipfel aus der Hose zu holen." - Flaut ab, flaut fürchterlich ab, wieder Schilling. "Albert zieht seinen rechten Zeigefinger aus Johanna und beinahe wäre sie dabei umgefallen. Dann versucht er mit der freigewordenen Hand seinen Zipfel in sie reinzustecken. Das klappt nicht. Albert ist zu kurz oder Johanna zu lang." - Die trocknen mir aus, meine Mädchen, Sie Langweiler, schreit Schilling. - So eine Apparatur und die Mädchen, das kostet mich was, das lasse ich nicht zum Spass laufen. - Abwarten, sagt Laurent. "Albert scharrt mit den Füssen im Sand - Abwarten, Kleines, murmelt er, denn Johanna wird unruhig. Er hat sich einen kleinen Sandberg gescharrt, steigt auf, steckt seinen Zipfel, der jetzt schon eher ein Zapfen ist, in die zitternde Johanna rein und beide verlieren sie das Gleichgewicht und fallen nach vorne ins Meer." - Nass, total nass, brüllt Schilling. - Mann, unsere Mädchen, total nass! Die Feuchtigkeits- und Beckensensoren in den Höschen der Mädchen schlagen auf dem Papier und über den Rand des Papieres wild aus und hinterlassen grüne und rosa Berge, steil und spitz. Die Manometerflüssigkeit sprengt den Kolbenaufsatz, es knallt. Laurent steckt das Geld ein und verlässt den Ort. Er lädt Gustav zum Tintenfischessen ein und Gustav sagt: - Heute muss ich keinen angebrannten Topf sauberschrubben. Für Quereinsteiger: Zur Hauptseite von Urs Engeler Editor |