Werner Lutz

Gedichte




Was für ein Glück zu glauben
dass eine einzige Grille die Nacht besiegt



Bauchige Krüge Kreidestriche Kelchblüten
Salbe darin



Eine Nebelblume eine Frostnelke
auch der Rauch gefriert



Farn verschüttet seinen herben Geruch. Die Ferne verdampft
Kupfertöne Eisentöne Bronzetöne. Die Hügel oxidieren
sie sind mit einem Leuchten eingefärbt
Schritte aus Grünspan gehen den Abend entlang



Johanniskraut
in Doldentrauben gelbblühendes Liebeskraut
überall zu finden auf sonnigen trockenen Böden
soll auch gut gegen das Fieber der Schweine sein



Ein Kastaniengreis rosaüberblüht



Es geht nicht darum recht zu haben
Es geht um die Wunde
durch die uns der Tod betritt



Ein Kinderknochengebetchen
das in alten Männerknochen betet
ein Abendschäfchen ein Himmelfrömmchen
das die gichtigen Finger zu Fragezeichen krümmt



Versteinerungen fangen an sich zu regen
Spuren tauchen wieder auf Wegränder
Lieber Versager
ein paar Schritte weiter verändert sich die Welt



Hiob
seine Klage entzieht den Blättern das Grün
entzieht den Schritten das Ziel
dem Wasser die Frische
das Wasser seit jeher schlaflos klagt mit



Ein trauriger zerzauster Krähenhimmel
Wer mag an sich glauben bei diesem schlechten Licht



Nur die Fingerspitzen
sonst keine Aussicht



Nur Dürftiges bei solchem Wetter
Gleisanschlüsse Tanklager Schmierölpfützen Rattenwege
Unkraut die anderen. Ohne Zweifel Unkraut



Mit irgendetwas die Erde lockern
über irgendetwas die Hände halten



Hoffen
weit über die ausgestreckte Hand hinaus



Narben als Ausgangspunkt. Baugruben als Anfang



Ein Gedicht anfangen das nie fertig wird
so hätte ich leben wollen



Plötzlich
verzweigt sich der Weg und jeder kann gehen
wohin er will



(aus: Werner Lutz: Gedichte, in: ZdZ Heft 5)